Platz für kleine Unternehmen
BA 22 fordert einen eigenen Gewerbehof für Freiham
An die „Bestandsbevölkerung“ erinnert Bezirksausschussvorsitzender Sebastian Kriesel gerne, wenn es um die Planungen des Stadtteils Freiham geht. Sie soll nicht nur die Nachteile eines verdichteten Verkehrs erleiden, sondern auch die Vorteile, die das neue Stadtviertel bietet, nutzen können. Der Antrag der Grünen-Fraktion, einen Münchner Gewerbehof in Freiham zu etablieren, stieß deswegen im Gremium auf offene Ohren. Die CSU hatte ihn in seltener Einmütigkeit sogar noch ergänzt, so dass das Ganze als interfraktioneller Antrag einstimmig abgesegnet und von CSU-Stadtrat Johann Sauerer in den Stadtrat eingebracht wurde. Die Landeshauptstadt wird darin aufgefordert eine „vertiefte Untersuchung zur Situierung eines Gewerbehofs im Gewerbegebiet Freiham Süd durchzuführen“. Eine eventuelle Änderung des Bebauungsplans, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung und ein Zeitplan sollen erarbeitet werden. Damit in der Zwischenzeit nicht alle Restflächen vergeben worden sind, solle bereits ein Grundstück für einen eventuellen Gewerbehof freigehalten werden.
„Wir haben in der teuren Stadt München neben dem dringenden Bedarf an günstigem Wohnraum auch einen Bedarf an Flächen für Firmen und Gewerbe. Mit den Münchner Gewerbehöfen werden kleineren Firmen flexibel Räumlichkeiten, Werkstätten und Lager zu vernünftigen Konditionen zur Verfügung gestellt“, sagte Kriesel.
Auslastung bei 95 Prozent
Seit rund 30 Jahren gibt es die Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrumsgesellschaft MGH bereits. Bisher sind acht Gewerbehöfe entstanden, der neunte in München Nord auf dem Areal der Knorr-Bremsen soll bis 2019 fertig sein. Hier wird es dank einer neuen Technik sogar möglich sein, dass in Obergeschossen mit schweren Maschinen gearbeitet werden kann. So wird wertvolle Fläche optimal genutzt. Für solche Gewerbeflächen ist die Nachfrage derzeit groß. Die Auslastungsquote der Gewerbehöfe liegt bei rund 95 Prozent. Schließlich können sich mittelständische und kleine Betriebe sowie Handwerk hier eine Ansiedlung trotz der wahnsinnigen Grundstückspreise leisten.
Da das Ziel der MGH, ein „stadtweit, flächendeckendes Gewerbehofnetz“ ist, stehen die Chancen für einen Gewerbehof Freiham grundsätzlich nicht schlecht. Auch für die Bevölkerung ist die wohnortnahe Versorgung mit handwerklichen Dienstleistungen von Vorteil. Bisher gibt es Gewerbehöfe in Moosach, Laim, Sendling, Perlach, Giesing, im Westend, am Westpark, Frankfurter Ring, Ostbahnhof und den aktuell im Bau befindlichen Gewerbehof im Norden. „Ich wünsche mir solch einen Gewerbehof auch im Gewerbegebiet von Freiham. Hier gehört solch eine Einrichtung noch hin, davon profitieren auch unsere kleinen und mittelständischen Betriebe vor Ort“, betonte Kriesel.
Utopisch ist dieser Wunsch nicht. Am Gewerbestandort Freiham ist alles Mögliche vorgesehen. Vom Stadtteilzentrum mit Wohn- und Gewerbenutzung im Norden über Flächen für höherwertiges Gewerbe wie einem Technologiepark, den Sondergebieten für den Einzelhandel bis hin zu Flächen für traditionelles, produzierendes Gewerbe im Süden, wie Kommunalreferent Axel Markwardt in einem Schreiben an den Bezirksausschuss erklärt hatte. Insgesamt erstreckt sich das Gewerbegebiet auf einer Fläche von 1.100.000 Quadratmetern.
Umstrukturierungen
Im Rahmen der Vermarktung habe sich herausgestellt, „dass die Nachfrage im Bereich des höherwertigen Gewerbes in den letzten Jahren deutlich schwächer war als nach klassischen Gewerbeflächen mit niedrigen Baudichten“, so die Analyse von Markwardt. Während im Frühjahr 2016 bereits kein Grundstück mehr für klassisches Gewerbe übrig war, lief die Vergabe im Technologiepark zäh. Den Grund kennt der Kommunalreferent. So sei der Bestand der Gewerbeflächen im Stadtgebiet in den letzten Jahren stark gesunken. „Die Reduzierung des gewerblich nutzbaren Flächenpotentials über die letzten Jahre ist auch Folge der gezielten Umwandlung gewerblicher Baurechte in Wohnbaurechten“. Seit 2010 seien zirka 700.000 Quadratmeter klassische Gewerbefläche und zirka 680.000 Büroflächen zu Wohnungen umstrukturiert worden. Dadurch konnten 16.000 neue Wohneinheiten gewonnen werden.
Der Bedarf ist da
Die Folgen: Alleine bei den kleinen und mittleren Flächenbedarfen haben sich in den vergangenen beiden Jahren über 200 Unternehmen, vor allem aus dem Kfz-Bereich, Logistik, Bau, Handel und verarbeitendem Gewerbe gemeldet. Auch in Aubing herrscht Bedarf. „Viele Unternehmer würden gerne expandieren“, erklärte Sebastian Kriesel.
Was ist ein Gewerbehof? In einem Gewerbehof teilen sich kleine und mittlere Handwerker, Händler und Gewerbetreibende die Flächen. Oft siedeln sie sich an bestehenden und aufgelassenen Industriebauten an. Die Idee reicht bis in das Mittelalter. Damals steuerten die Zünfte die Ansiedlungen der Handwerker, entweder im Stadtzentrum, vor den Toren der Stadt oder an Wasserläufen. Seit der Industrialisierung wurden spezielle Viertel für das Gewerbe geplant. Heute haben viele innerstädtische Industriebetriebe geschlossen. Die Grundstücke mit den Bestandsbauten konnten dadurch entweder zu Gewerbehöfen umgewandelt oder aber komplett neu errichtet werden.
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