"Mistkutschn" mit Seifen-Abgasen
Kreative der Ehrenbürgstraße präsentieren ihre Kunstwerke

Mit seiner selbstgebauten "Mistkutschn" chauffierte Künstler Stefan Reitsam die Gäste. (Foto: pst)
Das Wunderauto Tschitti Tschitti Bäng-Bäng und der tolle VW-Käfer Herbie standen wohl Pate für die Aubinger „Mistkutschn“. Das selbstgebaute Vehikel von Künstler Stefan Reitsam war der Publikumsmagnet bei den Offenen Ateliertagen des Vereins Fauwe (freie Ateliers und Werkstätten Ehrenbürgstraße). Die „Mistkutschn“ ist sozusagen ein Abfallprodukt, den sie besteht aus Müll. Das Fahrgestell hat Reitsam aus einem alten Jeep ausgebaut. Oben auf dem Dach sorgen Solarzellen für Strom, die Scheinwerfer werden mit LED betrieben. Besonders umweltfreundlich sind die „Abgase“. Aus dem Auspuff strömen schillernde Seifenblasen. Den Rahmen des Autos hat Reitsam aus schmalen Edelstahlstreifen kunstvoll verflochten. Den Künstlern, die ihre Ateliers in den Baracken auf dem Gelände des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers haben, gefiel das Auto so gut, dass sie es am liebsten als ständigen Shuttle installiert hätten. Auch die Musiker nutzten das Angebot während der Ateliertage, setzten sich mit ihren Instrumenten in die „Mistkutschn“ und ließen sich durch das Gelände kutschieren.
Die Künstler hatten sich schon wochenlang auf die Ateliertage gefreut. Während des Lockdowns waren viele neue Kunstwerke entstanden, die sie endlich öffentlich präsentieren aber auch verkaufen wollten. Bereits wenige Schritte nach dem Eingang stießen die Besucher auf einen „Menschenrechtsbaum“. In den Zweigen der Kirsche hingen Schilder mit Paragrafen und den Artikeln des Grundgesetzes. „Viele Spaziergänger bleiben stehen und lesen die Texte“, erklärte eine Künstlerin. Fauwe-Vorstand Peter Heesch zeigte eine Skulptur, die eine Kombination aus Holz und Stein ist. Das langgezogene Element aus Ulmenholz schien in einen See aus Labradorit, wie der schwarz-grau-funkelnde Stein aus Norwegen heißt, zu tauchen. „Der Sprung“ heißt das Kunstwerk.
Gelbes Pony statt Blauer Reiter
Ein paar Schritte weiter hatte es sich Renate Meier mit anderen Künstlern und Besuchern an einem Tisch vor ihrem Atelier gemütlich gemacht. Überall thronten ihre Keramikfiguren. Zum Beispiel die Armee der Gartentrolle mit ihren originellen Fratzen oder die würdevollen Köpfe ihrer Wächter. Fauwe-Vorstandsmitglied Susanne Musfeldt-Gohm hat ihre Sehnsucht nach Freiheit in verschiedenen Segelboot-Skulpturen ausgelebt. Bei einer Skulptur besteht das Segel aus einer Vielzahl an filigran mit Draht zusammengehaltenen Kronkorken. „Viele davon habe ich auf dem Gelände gefunden“, verriet sie. Ein anderes Segel war mit reiner Schafwolle aus der benachbarten Jugendfarm gefüllt und dann gab es ein flattriges Segel aus duftendem Zirbenholz aus der österreichischen Heimat der Künstlerin.
Einige Künstler haben sich übrigens in Anlehnung an die Künstlervereinigung „Blauer Reiter“ den Namen „Gelbes Pony“ gegeben und posten regelmäßig Fotos ihrer Kunstwerke. „Das war vor allem während des Lockdowns eine Möglichkeit die Menschen zu erreichen“, so Renate Meier. Der gemeinsame Austausch und das Erleben bei Live-Musik, Speisen und in Präsenz sei allerdings durch nichts zu ersetzen, waren sich alle einig.
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