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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Ein Ort zum Erinnern
Konzept eint NS-Geschichte mit Künstlerateliers
Rund 1,6 Millionen Euro erhält die Stadt für die Sanierung und Entwicklung des Erinnerungsorts „Ehemaliges Zwangsarbeiterlager Neuaubing“. Hier soll eine Dependance des NS-Dokumentationszentrums entstehen. Die Förderung wird vom Bundesinnenministerium im Rahmen des Programms „Nationale Projekte des Städtebaus 2021“ vergeben. Insgesamt 98 Städte und Gemeinden aus ganz Deutschland hatten sich um die Förderung beworben. In Neuaubing soll „an die über 150.000 Zwangsarbeiter, die während des Zweiten Weltkriegs im Stadtgebiet von München zwangsweise eingesetzt waren, erinnert werden“, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter. Im Krieg mussten die Zwangsarbeiter in der Ehrenbürgstraße für das Ausbesserungswerk der Reichsbahn schuften. Dafür sollen in zwei der acht Baracken auf etwa 700 Quadratmetern Fläche Ausstellungs- und Vermittlungsräume für das NS-Dokuzentrum entstehen. Mirjam Zadoff, Direktorin des NS-Dokuzentrums, erklärte: „Wir wollen einen Ausstellungsraum entwickeln, der sich in die Nachbarschaft der aktuellen Nutzung einfügt und den heute lebendigen Ort sensibel mit seiner gewaltvollen Vergangenheit in Verbindung setzt”.
Bei dem Konzept sollen neben der Ausstellung in den Baracken auch Teile des Außengeländes einbezogen werden. Dazu soll das ensemblegeschützte Gelände, das seit 2015 der Stadt gehört, mit seinen Ateliers, Werkstätten, der Kita und der Kinder- und Jugendfarm, denkmal- und naturschutzgerecht entwickelt und saniert werden. Wie das Ganze aussehen könnte, das stellen Architekten in einem Realisierungswettbewerb dar. Die Frist endete Ende Mai 2021. Das Preisgericht wird am 8. Oktober tagen. Dann wird die Jury Kriterien wie Gestaltungsqualität, Wirtschaftlichkeit, aber auch die Einhaltung der Ziele und des Planungsrechts bewerten. Die Teilnehmer des Wettbewerbs müssen Erfahrungen mit Sanierungen und Revitalisierung von Flächen und Gebäuden sowie mit Meuseumsprojekten vorweisen.
Viele Details im Originalzustand
In den Wettbewerbsunterlagen wurden den Bewerbern konkrete Vorgaben gemacht. Insgesamt umfasst der Planungsumgriff etwa 21.000 Quadratmeter Fläche, die unter anderem von den Mitgliedern des Vereins „Freie Ateliers und Werkstätten Ehrenbürgstraße“ (FAUWE) genutzt werden. Der Verein hat das Ziel, das Gebäudeensemble an der Ehrenbürgstraße und die weitere Nutzung für Ateliers und kleine Handwerksbetriebe zu erhalten. Schließlich waren es die Künstler, die dafür gesorgt hatten, dass der Erinnerungsort bewahrt wurde. Als einziges noch erhaltenes Lagerensemble dieser Art im süddeutschen Raum steht das gesamte Areal unter Ensembleschutz. Baracken, Zaunreste sowie zwei Kleinbunker sind als Einzeldenkmäler ausgewiesen. Viele Details wie Türen, Fenster und Holzböden sind im Originalzustand erhalten.
“Viele Münchner Betriebe, kleine wie große, haben von der fast immer unbezahlten Arbeitsleistung zehntausender Zwangsarbeiter profitiert. In Neuaubing wird ein Erinnerungsort entstehen, der sich ihrer Geschichte widmet und Fragen aufwirft über Kontinuitäten der Ausbeutung", so Mirjam Zadoff. Erst wenn der Stadtrat grünes Licht gibt, geht es mit den Baumaßnahmen los.
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