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"Departure Neuaubing"

Virtuelle Ausstellung über das Leben der Zwangsarbeiter

Informieren über die virtuelle Ausstellung v.l.: Paul-Moritz Rabe, Juliane Bischoff und Mirjam Zadoff. (Bild: pst)

Entweder wird mit einer Gedenkstätte an einen historischen Ort der NS-Vergangenheit erinnert oder die Geschichte des Ortes wurde durch eine Nachnutzung mit Neubauten quasi unsichtbar. Im ehemaligen Zwangsarbeiterlager in der Neuaubinger Ehrenbürgstraße gibt es eine einmalige Kombination von beidem. Künstler, soziale Einrichtungen und Historiker des NS-Dokumentationszentrums bilden hier eine so noch nirgends gelebte Koexistenz, schwärmte Paul-Moritz Rabe, Leiter des Erinnerungsorts. Bis 2025 soll er fertig sein. Die weitgehend unveränderte Originalbaracke soll als Museum dienen, in einer anderen wird es Workshops und Werkstätten für museumspädagogische Angebote geben. Rabe freut sich vor allem auf die „spannende Koexistenz“, denn so bleibe „Geschichte auch in der Gegenwart präsent“.

Als erstes Projekt wurde nun eine digitale Ausstellung eröffnet. Unter dem Motto „Departure Neuaubing“ wird die europäische Geschichte der Zwangsarbeit am Beispiel des Zwangsarbeiterlagers aufgezeigt (Infos unter www.nsdoku.de ). Es ist eine digitale Ausstellung mit vielen Mitmachangeboten, an der die Künstler Fabian Bechtle, Leon Kahane, Sima Dehgani, Hadas Tapouchi, Franz Wanner, Alex Rühle, Alessandra Schellnegger sowie das Studio Paintbucket Games gearbeitet haben.

Dabei steht das Zwangsarbeiterlager im Zentrum, aber man kann digitale Ausflüge nach Holland, Italien und in die Ukraine machen. Dort wurden beispielsweise von Sima Dehgani eine Zeitzeugin sowie Nachfahren interviewt.

Computerspiel und Reportage

„Erinnerung ist ein Prozess, der aus der Vergangenheit in die Gegenwart reicht“, so Mirjam Zadoff, Direktorin des NS-Dokumentationszentrums bei der Auftaktveranstaltung. Dort gibt es einen extra Raum, von dem aus sich die Besucher mit dem Museums-Tablet auf Spurensuche begeben können. Natürlich können sich auch Interessierte aus der ganzen Welt mit ihren Computern virtuell zuschalten. „Das Projekt erzählt Geschichte aus verschiedenen Perspektiven“, erklärte Kuratorin Juliane Bischoff. Wichtig war es den Initiatoren viele Zielgruppen anzusprechen. Deswegen wurde für die Jugend das interaktive Computerspiel „Forced Abroad. Tage eines Zwangsarbeiters“, auf Grundlage der Tagebucheintragungen eines 19-jährigen Niederländers entwickelt.

Baracken für Zwangsarbeiter waren in ganz München verstreut. „Heute sind sie fast spurlos verschwunden“, wusste Zadoff. Die Fotografin Hadas Tapouchi hat die Orte, an denen sie einmal waren und an denen nichts an die düstere Vergangenheit erinnert, fotografiert. Die Fotos sollen die Orte zurück ins kollektive Gedächtnis bringen.

Fabian Bechtle und Leon Kahane haben ihr Kunstprojekt in Freiham verortet. Ihr Film über die Entstehung des neuen Stadtviertels ist interessant, weil das Zwangsarbeiterlager genau an der Grenze liegt. Franz Wanner hat zwei Orte der NS-Rüstungsindustrie und deren Strategien der Vergangenheitsbewältigung einander gegenüber gestellt und Alex Rühle hat eine Reportage über italienische Zwangsarbeiter beigesteuert.

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