"Corona ist nicht verantwortlich"
Lehrerberuf an Grund- und Mittelschulen muss attraktiver werden
Die Lücken wegen des Homeschoolings im vergangenen Schuljahr sind noch nicht aufgearbeitet – jetzt verschärft die zweite Welle die Situation. Wir haben uns bei einer Grundschule, Mittelschule und einem Gymnasium im Stadtbezirk 22 erkundigt wie die Schulen mit der Krise umgehen und wie die Versorgung mit Lehrkräften aussieht.
„In Zeiten wie diesen wäre zusätzliches Personal mehr als notwendig. Die Personalnot trifft die Schulen doppelt“, so Rektorin Eva Wobido. An ihrer Grundschule Freiham gibt es zehn Klassen mit rund 170 Schülern. Von den 15 Lehrkräften seien drei erkrankt, erklärt Wobido. Zusätzliche Stunden, die für förderbedürftige Kinder gebraucht würden, können nur im geringen Maße stattfinden. Die Lehrkräfte würden sogar Überstunden leisten, um den Pflichtunterricht zu gewährleisten „da wir als Corona-Vorsichtsmaßnahme keine Klassenaufteilungen durchführen können“. Das klassenübergreifende Arbeiten im Lernhaus, das normalerweise bei fehlenden Lehrkräften stattfinden könnte, ist wegen Corona nicht umsetzbar. Ein wenig Erleichterung würden Studenten oder Fachoberschüler bringen, die in ihren Praktika helfen und Lesefüchse (externe Partner zur Leseförderung) bleiben oft nach ihrem Einsatz als Lernpaten. Von der Otto-Steiner-Schule kennt Wobido ein „personell gut ausgestattetes Modell, das grundsätzlich auch in Regelklassen hilfreich wäre“. In den beiden Partnerklassen unterrichtet jeweils eine Klassenlehrkraft, die den gesamten Vormittag durch die gleichen pädagogischen Hilfskräfte unterstützt wird. „So sind immer mindestens drei Erwachsene mit im Raum. Fällt in diesen Klassen eine Lehrkraft durch Krankheit aus, was in diesem Schuljahr schon passierte, sind trotzdem genügend pädagogische Kräfte zur Stelle, die den Unterricht weiterführen.“ Wichtiger als den Unterricht pro Schultag zu verkürzen, was die Eltern wegen des Betreuungsbedarfs ihrer Kinder vor Probleme stellen würde, wäre zusätzliches Personal zu gewinnen, um die Lehrkräfte, denen zu viel aufgebürdet werde, zu entlasten, so Wobido. Aber derzeit fehlten schon die „eigentlichen" Lehrkräfte pro Klasse.
Zusätzliche "Brückenstunden"
An der Mittelschule an der Wiesentfelser Straße in Aubing gibt es 36 Lehrkräfte (einschließlich zwei Förderlehrerinnen), zusätzlich weitere Beratungskräfte beispielsweise aus dem Förderzentrum. „Grundsätzlich kann man damit den Unterricht abdecken“, so Schulleiterin Elsbeth Zeitler. Um Unterricht aufzuholen, wurden zusätzliche "Brückenstunden" genehmigt. „Schwierig wird es für Arbeitsgemeinschaften, die den Schülern Spaß machen. Das kann dieses Schuljahr nicht angeboten werden.“ Nicht nur wegen fehlender Lehrer, sondern auch weil die Schüler unterschiedlicher Klassen nicht durchmischt werden sollen. „In Krankheitsfällen ist der Unterricht nur sehr schwer aufrecht zu halten“, so Zeitler und „Mobile Reserven“ seien rar. „In all den Jahren haben wir gerne mit Ehrenamtlichen, zum Beispiel in der Leseförderung, gearbeitet. Das ist natürlich in diesen Zeiten kaum realisierbar“, bedauert die Rektorin.
"Großer Fan des Teamteachings"
„Das Lehrerkontingent ist ausreichend“, erklärt Thomas Schranner, Schulleiter des Gymnasiums Freiham. Förderstunden sind den 41 Lehrkräften für die 421 Schüler wichtig, „Diese sind größtenteils in den regulären Unterricht integriert und finden somit nach wie vor statt.“ Natürlich bestünde der Wunsch nach mehr Lehrerstunden, „damit die benachteiligten Kinder individuell besser gefördert werden können, um die Rückstände durch den Fernunterricht aufzufangen“, betont Schranner. „Wir sind ein großer Fan des Teamteachings, eine gute Möglichkeit in Coronazeiten das Abstandsgebot auch bei roter Ampel einhalten zu können und die Kinder besser zu betreuen.“
Corona ist nicht das einzige Problem. "Gerade im Bereich von Grund- und Mittelschulen erscheint das Berufsbild des Lehrers sehr unattraktiv. Im Vergleich zu anderen Schularten ist das auffällig“, bedauert Elsbeth Zeitler. Immer wieder kämen Quereinsteiger, die an anderen Schularten keine Stelle bekamen, an die Mittelschule. „Meist waren sie beeinflusst von Vorurteilen und dann positiv überrascht, dass an unserer Schulart sehr wohl ein erfüllendes Berufsleben möglich ist.“ Eva Wobido sieht es ähnlich: "Es bräuchte, meiner persönlichen Meinung nach, längst langfristige Maßnahmen, um die Attraktivität des (Grundschul-)Lehrberufes zu steigern.“
"Corona ist nicht verantwortlich für diese Situation“, so Zeitler.
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