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Audioguide als Zeitdokument

Pasinger Gymnasiasten erinnern an Zwangsarbeiterlager

Die Schüler des Karlsgymnasiums mit ihren Lehrkräften und Projektbetreuern. (Bild: pst)

„Ich blicke auf eine alte Schwarzweiß-Fotografie. Ein Luftbild aus dem Münchner Westen. Ich stelle mir vor, wie ich über diese Landschaft in einem Flugzeug hinweg fliege. Neuaubing im Jahre 1944 liegt unter mir. Ein riesiges Bahngelände, viele Güterwagons und lange Gleise. Es sieht aus wie eine Hand, die sich nach Süden ausstreckt. Auf der einen Seite nur Wiesen und Wälder, auf der anderen Wald und Häuser. Eine Siedlung, die in der Nähe liegt, fällt sofort ins Auge: Die sogenannte Dornier-Siedlung und unscheinbar daneben neun Baracken.“ So beginnt der Text des siebten Kapitels auf dem Audioguide. Schüler des Karlsgymnasiums in Pasing haben sich im Rahmen ihres Praxis-Seminars gemeinsam mit ihrem Lehrer, Professor Ulrich Baumgärtner, auf dem Gelände des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers in Neuaubing auf Spurensuche begeben. Mit Unterstützung der Stiftung Zuhören, dem Bayerischen Rundfunk, der Stadt München, des Stadtarchivs und des NS-Dokumentationszentrums haben die Jugendlichen einen Audioguide entwickelt. Im Jugendtreff Neuaubing stellten ihn die Schüler der Öffentlichkeit vor. „Ihr habt ein wichtiges Zeitdokument geschaffen“, lobte Elisabeth Alber von der Stiftung Zuhören. Dabei sei der Audioguide „spannend und berührend“.

Zeitreise in das Zwangsarbeiterlager

Besonderen Applaus bekamen Ferdinand Rädler und Adrian Regenfuß für die selbst komponierte Melodie, die als musikalisches Leitmotiv durch die einzelnen Kapitel der CD führt. Die schwermütigen Klänge auf Klarinette und Keyboard erinnern ein wenig an Klezmer-Musik oder an osteuropäische Volksmusik. Passend, um den Zuhörer auf eine Zeitreise in das Zwangsarbeiterlager mitzunehmen, in dem während des Zweiten Weltkriegs vorwiegend Ostarbeiter untergebracht waren. 400 Zwangsarbeiterlager hatte es in München gegeben. Die Ehrenbürgstraße 9 ist das einzig Verbliebene.

Der Audioguide hat zwölf Kapitel, die Themen wie „Zwangsarbeit im Nationalsozialismus“, „Arbeit im Reichsbahnausbesserungswerk Neuaubing“, „Verschleppung in Osteuropa“ oder „Ankunft im Lager“ heißen. Die Schüler haben mit zeitgenössischen Dokumenten gearbeitet, Historiker befragt, Zeitzeugeninterviews ausgewertet und viele Gespräche geführt.

Erinnerungsort Ehrenbürgstraße 9

In den nächsten Jahren wird an der Ehrenbürgstraße in Neuaubing ein Lern- und Erinnerungsort als Dependance des NS-Dokumentationszentrums entstehen. Herzstück ist die denkmalgeschützte „Baracke 5“.  „Es ist eine wunderbare Ergänzung zum NS-Dokumentationszentrum“, schwärmte Gründungsdirektor Professor Winfried Nerdinger. Er freute sich darüber, dass sich jetzt Besucher mit dem Audioguide in die vergangenen Zeiten einfühlen werden können. Der geschichtsträchtige Ort ist auf alle Fälle für die Zukunft gesichert. Ein jahrelanges Verfahren, das 2009 mit einem Antrag der Grünen auf Erhaltung des Areals begonnen hatte, nimmt ein gutes Ende.

Den Audioguide "Erinnerungsort Zwangsarbeiterlager Neuaubing" kann man auf der Webseite des NS-Dokumentationszentrums Downloaden. Das Gelände an der Ehrenbürgstraße 9 ist frei zugänglich.


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