München · „Die CSU-Haltung im Fall Schwindel ist skandalös
Sedef Özakin übt scharfe Kritik an Partei und OB-Kandidat

Im Islam gibt es eine Vielzahl von Gruppierungen, die unterschiedliche Glaubensrichtungen vertreten.
SamstagsBlatt: In Bernhards und Schmids Erklärung heißt es, dass Inhalte wie sie Schwindel verbreitet „nicht der CSU zugeschrieben“ werden können. Teilen Sie diese Auffassung?
Özakin: Die CSU in Untergiesing-Harlaching ist mit Schwindel, dem kooptierten CSU-Ortsvorstandsmitglied Stefan Ullrich, der in einer Bürgerinitiative auf antiislamische Ressentiments setzte, als ein Frauenbadetag im Harlachinger Hallenbad eingeführt werden sollte und mit CSU-Ortschef Barbor sicherlich ein spezieller Fall in München. In der Angelegenheit der Sendlinger Moschee hat Barbor im Stadtratsplenum ein unsägliches Hetzblatt verbreitet, verfasst von einem ehemaligen Pasinger Lehrer, der auch auf einer CSU-Parteiveranstaltung in Harlaching als offizieller Redner auftreten durfte. Soviel geballte, wirre Hetzerei wie sie aus den Reihen der CSU in Harlaching kommt, ist schon speziell. Man bedenke, wie fair, sachlich und ruhig die Bezirksausschussvorsitzende von Allach-Untermenzing, Annemarie Kenst – ebenfalls CSU – den Wunsch der dortigen Muslime nach eigenen Gebetsräumen handhabte. Ganz anders läuft es bei der Sendlinger Moschee ab. Die jüngste Sendlinger Bürgerversammlung zum Thema war schlicht alarmierend: die CSU spielt hier unverantwortlich mit den Ängsten vieler Bürger, statt auf Aufklärung und Dialog zu setzen. Insgesamt ist es jedenfalls auffällig, dass anti-muslimische Tendenzen vor allem unter CSU-Politikern auftreten.
Sind Sie im Fall Schwindel von der CSU-Erklärung enttäuscht?
Sehr enttäuscht. Es erfolgte weder eine scharfe Distanzierung noch eine Zurechtweisung dieses CSU-Repräsentanten. Ich verstehe Schmid hier nicht: er will der Oberbürgermeister einer der größten deutschen Städte werden, die bis dato einen Migrantenanteil von über 20 Prozent aufweist. Diese Bevölkerungsgruppe – die ja noch wachsen wird – will er aber offensichtlich nicht vertreten, sonst hätte er sich ganz scharf von Schwindel distanziert und hinter Münchens Muslime gestellt. OB Ude hat das unverzüglich getan und kam so seiner Verpflichtung als Vertreter der gesamten Stadtbevölkerung nach. Will Schmid etwa nur für seine christliche Gruppierung regieren? Besonders bedauerlich finde ich auch sein Eintreten für die Ideologie der „Leitkultur“. Schmid wuchs selbst in unserer multiethnischen Gesellschaft auf. Dennoch will er diese Gesellschaft, die mittlerweile nun einmal eine Einwanderungsgesellschaft ist, nicht akzeptieren oder wahrnehmen. Dies ist für einen Bürgermeisterkandidaten, der alle Bürger der Stadt München politisch vertreten und deren Interessen berücksichtigen muss, bestürzend. Zum Thema „Leitkultur“ sei übrigens angemerkt, dass selbst viele Deutsche mit diesem Begriff nichts anfangen können. Jedenfalls sollte sich Schmid fragen, ob er tatsächlich glaubt, seine persönliche Vorstellung von „Leitkultur“ auf die Mehrheit seiner Mitbürger, selbst diejenigen deutscher Herkunft und christlichen Glaubens, übertragen zu können.
In einem Punkt aber gehen Bündnis 90 / Die Grünen mit der CSU konform: beide lehnen eine Islamische Akademie, wie sie die Islamische Gemeinde Penzberg plant, ab.
Hep Monatzeder, der den Runden Tisch Muslime in München leitet, sprach sich dagegen aus. Zu Recht: jede Akademie, die in Deutschland Imame ausbilden will, sollte der Kontrolle des Staates unterstehen, beispielsweise wie bei einem Theologiestudium. Dies wäre hier definitiv nicht der Fall. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass im Islam eine Vielzahl von Gruppierungen unterschiedliche Glaubensrichtungen vertritt. Welche Rolle Penzberg in diesen Gruppierungen vertritt wird noch weiter zu klären sein. Obendrein scheint Penzberg im Verdacht zu stehen, Verbindungen zu der als verfassungsfeindlich eingestuften Gemeinde Milli Görus zu unterhalten. Dies wird zwar von Penzberg bestritten, eine Klärung des Sachverhalts durch das Innenministerium wird jedoch gerade von den Landtagsgrünen in Absprache mit mir vorangetrieben. Penzberg ist im Übrigen nicht zu verwechseln mit dem türkischen Dachverband DITIB, der die Sendlinger und Allacher Moschee betreibt. Über diese Unterschiede müssen Münchens Nicht-Muslime klar und deutlich informiert werden. Nichts ist falscher und brandgefährlicher, als von „dem Islam“ und „der islamischen Ideologie“ zu sprechen, wie es manche CSU-Politiker tun.
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