Allach/ Untermenzing · Sagenhaftes Schloss
Die unzugängliche Ritterburg auf dem Gelände der MAN
Das sagenhafte Allacher Schloss
Gotik, Rokoko und geflieste Pferdeboxen
Das Hauptgebäude, bekrönt von einem Turm von 18 Metern Höhe, ist dreistöckig und zählt pro Stock sieben unterschiedlich eingerichtete Zimmer. Etwa das „Apostelzimmer“, eine Art Festsaal mit einem Tisch und zwölf Stühlen, hinter denen jeweils in Form von Statuen oder Gemälden einer der zwölf Apostel stand. Genaueres ist nicht überliefert, da die Originaleinrichtung aufgrund der wechselvollen Schlossgeschichte weitgehend verloren ging. Erhalten in dem Raum ist noch der Kamin, der – ganz in Marmor – den bizarren Verschnörkelungen des Rokoko-Stils nachempfunden wurde. Im „Musikzimmer“ hingegen prunkte dereinst eine original gotische Holzdecke, die Hauser aus einem Südtiroler Schloss abbauen ließ, während die Decke des „Marmorzimmers“ in die Welt der griechischen Mythologie entführte. Die Mixtur aus Pracht und Absonderlichkeit ist heute leider nur noch zu erahnen, anhand von archiviertem Bildmaterial. Immerhin existiert und empfängt aber noch das mit Edelhölzern ausgelegte Treppenhaus – unter anderem mit einem griechischen Deckengemälde, das die Maler Johann Schaschko und der durch seine Illustrationen von „Brehm’s Tierleben“ bekannt gewordene Walter Heubach umsetzten: der Gott Apollo im Sonnenwagen, umgeben von den zwölf Sternzeichen. Von soviel hehren Höhen durften sich Hausers Gäste im irdischen Keller erholen: dessen Weinstube wartet mit Witzfiguren auf – vermutlich den damaligen Dorfprotagonisten. Darauf zumindest lassen weinselige Sprüche schließen wie „Wenn der Lehrer und der Bürgermeister saufen, ist der Pfarrer nicht weit“. Gleich daneben ist dieser mit einem Maßkrug in der Hand abgebildet. Doch auch hier lässt des Schlossherren Eklektizismus’ grüßen: Die Figuren sind auf ein gotisches Kreuzgewölbe aufgepinselt. An der Hausfassade ließ sich Hauser übrigens selbst verewigen. Als Lohengrin mit Flügelhelm oder als geldsackbestückter Mönch. Ein Wehrgang führt vom Hauptbau zur hauseigenen Kirche, die – wie sollte es anders sein? – „Laurentius“-Kirche heißt, in bayerischer Abwandlung des Vornamens Lorenz. Doch nicht allein Laurentius durfte das Gotteshaus betreten, auch den Karlsfeldern war dies vergönnt. Weil sie keine eigene Kirche hatten, durften sie bei ihm den Herren preisen, und wohl auch ein bisschen den Laurentius selbst… Heilige Gefilde betrat man noch anderswo – in den Pferdeställen. Das Erdgeschoss des Kutscherhauses sollte Hausers preisgekrönten und heiß geliebten Rennpferden das adäquate Ambiente bieten. Delfter Kacheln schienen da das Passende. Infolge ließ der „Millionenbauer“ mit ihnen sämtliche Boxen ausfliesen.
Grafen, US-Soldaten und MAN
Das Schloss bewohnte der Lebemann, der 1918 erst 49-jährig und unverheiratet starb, nur sechs Jahre lang. 1908 verkaufte er es an den österreichischen Diplomaten, Graf Boos-Waldeck, der kurz darauf in den aktiven Dienst des Wiener Kaiserhauses zurückbeordert wurde. Nach diversen Besitzern, die das Gebäude als Spekulationsobjekt handhabten, wurde es 1915 versteigert. An: Lorenz Hauser. Behalten hat es der zeitlebens Getriebene nur neun Monate, in denen er es nicht mehr bewohnte. Der nächste Besitzer, ein Hamburger Großkaufmann, hielt es da schon länger aus. Erst sein finanzieller Ruin in den Dreißigern zwang ihn zum Verkauf an den Münchner Sanitätsrat Ludwig Gillmer, der die verschrobene Ritterburg als Altersruhesitz zu nutzen gedachte. Doch aus der Ruhe wurde nichts: BMW zog auf dem Nachbargrundstück ein und veranstaltete offensichtlich soviel Lärm, dass Gillmer das Schloss 1934 dem Unternehmen gleich ganz überließ. Mit dem zweiten Weltkrieg setzte die Abwärtsspirale ein: das Anwesen, auf dessen Dach eine Flugabwehrkanonen-Stellung errichtet wurde, musste sich einem grünscheckigen Tarnanstrich unterziehen und wurde nach Kriegsende von US-amerikanischen Truppen besetzt, denen nichts Sinnvolleres einfiel, als einen „Hunting & Fishing“-Club zu eröffnen, der die Tierbestände der Umgebung gen Null trieb. Der besondere „Gag“ – ein Barbecue in der Eingangshalle – führte beinahe zum vollständigen Ausbrennen des Gebäudes. 1954 verließen die US-Rabauken das Schloss, woraufhin BMW das gesamte Gelände an die Firma MAN Nutzfahrzeuge verkaufte. Nach beträchtlichen Investitionen in die Wiederinstandsetzung des Hauser Schlosses dient es heute MAN als Repräsentationsgebäude. Der Öffentlichkeit ist das sagenhafte Schloss des „Millionenbauers“ daher unzugänglich.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH