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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
25 Jahre Buchendorfer Verlag
Lioba Betten: Ausleuchtung des Stadtgeschehens als Hauptaufgabe/Umbennung in MünchenVerlag
V.l.: Moderator Franz J. Kotteder (Süddeutsche Zeitung), Christoph Aicher (Vertrieb und Marketing im MünchenVerlag), Lioba Betten (Verlagsleiterin), Nikolaus Gradl (Stadtrat), Dr. Wolfgang Burgmair (Archivar und Historiker), Dr. Ingeborg Prager (KOKON Bücher), Prof. Dr. Georg Jäger (Ludwig-Maximilians-Universität, Buchwissenschaft) und Hermann Wilhelm (Autor) nach der Podiumsdiskussion im Literaturhaus.
„MünchenVerlag“
Vor zwei Jahren kaufte die ausgebildete Diplombibliothekarin Betten dem Gründer Tillmann Roeder den insolventen Verlag ab. Sie sei nach ihrer langjährigen Arbeit als Kinder- und Jugendbibliothekarin auf der Suche nach einem neuen Tätigkeitsfeld gewesen und so habe sie die Chance ergriffen. „Denn als Verlegerin wird man nicht geboren. Man kommt einfach mehr oder weniger dazu“, erklärt sie eher bescheiden. Doch trotzdem hat sie wichtige Ziele und setzt im Verlagsprogramm immer mehr neue Schwerpunkte. Zum Beispiel möchte sie sich noch stärker auf spezielle Münchner Themen konzentrieren, als es bisher der Fall war. Dies ist auch einer der Gründe, warum sie ihren Verlag im Oktober 2005 neu benannte: Sie wählte den vielsagenden Namen „MünchenVerlag“. Für Betten ist die „Ausleuchtung des Stadtgeschehens“ die Hauptaufgabe des Verlages. Die Bücher sollen davon erzählen, was in der Stadt schon passiert ist und was momentan passiert. Dabei legt die engagierte Verlegerin viel Wert darauf, dass die von ihr herausgegeben Bücher hochwertig ausgestattet sind. „Ich möchte ästhetische Bücher machen, die man immer wieder gerne in die Hand nimmt und die Stadtgeschichte nicht so steril wiedergeben.“
Heimatverbundenheit steigt
Dass der Bedarf der Münchner Bürger nach solchen Werken ungebrochen ist, zeigen nicht nur die vielen Nachfragen beim Verlag. Auch die Expertenrunde der Podiumsdiskussion war sich einig, dass der MünchenVerlag und seine Bücher den „Nerv der Zeit“ treffen. Betten ist sich sicher, dass heutzutage die Heimatverbundenheit bei den Bürgern wieder steigt: „Die Menschen brauchen Wurzeln. In der immer mehr vernetzen und globalisierten Welt fühlt sich der Einzelne oft mehr und mehr verloren!“ Stadtrat Nikolaus Gradl, der Leiter des städtischen Kulturausschusses, erklärt, dass lokale Bezüge an Bedeutung gewinnen: „Gerade da sich immer mehr Verlage zusammenschließen oder aufgekauft werden, ist es wichtig, dass wir solche Schätze wie den MünchenVerlag noch haben. Hier gelangen die Informationen hochwertig aufbereitet auf den Buchmarkt.“
Amüsant und interessant
Bedauerlich findet es Archivar und Historiker Wolfgang Burgmair, dass die gängige Literatur über die Stadtgeschichte sehr trocken und kompliziert geschrieben ist. „Die Nachfrage nach leicht verständlichen Texten über die Stadt ist sehr hoch. Der MünchenVerlag stellt zwar auch den historischen Kontext dar, verbindet diesen aber mit allerlei amüsanten und interessanten Gschichterln.“ Auch Hermann Wilhelm, ein Autor des Verlags, betonte wie groß die Nachfrage nach Erzählungen aus dem Münchner Alltag sei. Während seiner Recherchen entdeckte er Menschen und Schicksale, von denen keiner ahnte, dass es sie überhaupt in München gibt. Der starke Bedarf an Büchern über München und seine einzelnen Stadtteile kann auch Ingeborg Prager, Leiterin des KOKON-Buchgeschäftes, praktisch aus erster Hand bestätigen: „Die Werke werden vor allem wegen ihres enormen Wiedererkennungswertes gekauft. Die Münchner genießen die Möglichkeit ihre Stadt in den Büchern wiederzufinden und neue Plätze zu entdecken, die ihnen im Alltag nicht aufgefallen wären.“ Doch die Liebe für ihre Stadt zeichnet nicht nur die Leser des MünchenVerlages aus, sondern vor allem auch seine Geschäftsführerin. Lioba Betten verlegte die Geschäftsstelle des Verlages nach Laim in die Fürstenrieder Straße und schwärmt geradezu mit glänzenden Augen von diesem Stadtteil. „Laim ist ein sehr durchmischtes Viertel. Man findet hier Menschen aller Altersstufen und vieler verschiedener Nationalitäten. Und das Wichtigste ist, dass man den Eindruck hat, alle fühlen sich hier wohl.“ Für ihre Mittagspause hat Lioba Betten mitten im quirligen Laim eine Ruheoase im alten Friedhof an der St. Ulrichs Kirche entdeckt. Vorausgesetzt sie möchte tatsächlich einmal Ruhe haben, denn man kann den Eindruck nicht abschütteln, dass die Verlegerin voll und ganz in ihrer Arbeit aufgeht. Selbst wenn Lioba Betten doch ein bisschen sorgenvoll von den finanziellen Schwierigkeiten spricht, die ein Verlag mit sich bringt, man merkt, dass ihr der München Verlag dennoch ans Herz gewachsen ist. So sieht dies auch Georg Jäger von der Ludwig-Maximillians-Universität: „An der Spitze dieses Verlages könnte kein kalter Manager sitzen. Vor allem die Persönlichkeit der Verlegerin schafft es dem Leser die Emotion für den Stadtteil zu vermitteln.“ Auch Gradl legt viel Wert darauf, dass Bestehen dieses kleinen Verlages zu sichern. Er regte zu Gedanken darüber an, wie dieser von der Stadt außerhalb der finanziellen Möglichkeiten unterstützt werden könnte.
Veröffentlichungen
Dass der MünchenVerlag jetzt erst zu seiner Hochform auflaufen wird, scheint bei den vielen positiven Worten fast sicher. Einen Ausblick darauf, wie es zumindest im nächsten Jahr weitergeht, konnte das Publikum schon erhaschen. Neu konzipiert als MünchenVerlag werden dort natürlich weiterhin Bücher herausgeben, die sich mit der Geschichte der einzelnen Stadtteile beschäftigen. Zu den acht bereits lieferbaren Stadtteilbüchern wird ein neues Werk über Sendling erscheinen. Doch auch die aktuellen Ereignisse in der Stadt bleiben nicht unberücksichtigt und so wird anlässlich zur WM ein Fußballbuch herausgegeben, das die „Geschichte des Münchner Fußballs“ illustrieren wird. Nach eigenen Angaben muss die Verlegerin bis zum Erscheinen des lang ersehnten Laim-Buches noch etwas warten, da dieses Projekt immer wieder an Kleinigkeiten scheitert. Doch bis dahin werden sich weiterhin interessante Themen und Ereignisse finden, für die sich eine Publikation lohnt.
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