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Unser Oertelplatz, heute und gestern

Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet

Bild 1 (Bild: Demmel)

Dieser Artikel ist eine Kurzfassung meines Vortrags vom 12.07.2019 zur Eröffnung der Volkshochschul-Abteilung am neuen, aber im Juli, auch zur offiziellen Eröffnung des EwerS, noch nicht fertigen Oertelplatzes (Bild 1) und soll mit einigen Bildern einen Überblick über Gegenwart und Geschichte dieses Platzes geben, der das Gesicht unseres Stadtbezirks stark verändern wird. Auch die Kultur hat in Gestalt des neuen Standorts der Münchener VHS ein Zuhause und eine Anlaufstelle gefunden.

Allach war bereits seit 1867 an die Bahnlinie München-Ingolstadt angeschlossen. Die 1892 für den Personenverkehr eröffnete Eisenbahnlinie beeinflußte die Entwicklung Allachs und Untermenzings vor allem um die Jahrhundertwende ganz entscheidend. Der unmittelbare Platz davor hieß bis 1933 Bahnhofplatz, in der NS-Zeit von 1933-1945 Dietrich-Eckard-Platz und heißt seit 1945 Oertelplatz.

Zum alten Bahnhofplatz wäre einiges zu sagen, ich beschränke mich aber auf ein amtliches Schreiben aus dem Jahr 1879, das ich von meinem Kollegen Dr. Rudolph erhalten habe. Es belegt, dass in diesem Jahr ein Steg über die davorliegende Kiesgrube von der Bahnhofwirtschaft zum Bahnhof führte. Wenige Jahre später wurde ein Erddamm als Fußweg erstellt und weitere Jahre später war die Kiesgrube soweit nach Süden gerückt, dass man den Bahnhof ohne Probleme erreichte. Die vorliegende Postkarte (Bild 2) zeigt Bahnhof- und Bahnhofgaststätte und Kiesgrube um 1900.

Dietrich Eckart (1868-1923) war Publizist, Verleger, früher Anhänger des Nationalsozialismus und einflußreicher Ideengeber Hitlers.

Max Joseph Oertel (1835-1897) (Bild 3) war ein besonders in Fachkreisen bekannter deutscher Arzt und Professor an der Münchner Universität, Spezialist für Kehlkopferkrankungen, der später auch Herz- und Kreislauferkrankungen behandelte.

Die oben genannte Öffnung für den Personenverkehr im Jahre 1892 führte zur Ansiedlung bedeutender Industriebetriebe, von denen westlich der Eisenbahnstrecke 1895 das Untermenzinger Dampf- und Hobelwerk „Theodor Kirsch & Söhne“ und die 1902 in Allach gegründete Diamalt GmbH viele Personen beschäftigten. Östlich der Bahnlinie wurde seit 1907 die „Bayerische Stahlformgießerei Krautheim & Comp. GmbH“ gebaut. Die Stahlformgießerei wurde später von „Krauss & Comp.“ aufgekauft und wurde mit dem Zusammenschluß der Lokomotivbauer Krauss und Maffei zum heute noch zentralen Arbeitgeber „KraussMaffei“ im Stadtbezirk Allach-Untermenzing. Ab 1936 kamen das Flugmotorenwerk BMW, das Junkerswerk und daneben die in der NS-Zeit deutschlandweit bekannte Baufirma Sager & Wörner mit vielen Beschäftigten als Bahnkunden dazu.

Die Weiterentwicklung des damals schon wenig schönen Platzes, der in seiner Mitte auch einen Kiosk hatte, ist auf vielen Fotos der 70er, der 80er und der 90er Jahre (Bild 4) erkennbar. Wer sich für die Häuser-Numerierung interessierte, stellte fest, dass ausgehend von der Nr. 1 an der Ecke Vesaliusstraße, die auch nach einem Medizinprofessor benannt ist, mit der heutigen „Olive“ beginnt, wenn man im Uhrzeigersinn weiterzählt. Die Nr. 2 und 2a wurden vor einiger Zeit abgerissen und dort zwei neue Häuser gebaut. Das vom bekannten Untermenzinger Baumeister Korbinian Beer erbaute Postamt, das heute weniger als denkmalgeschützter Bau als durch eine mutige Farbwahl auffällt, trägt die Nr. 3 und das ehemalige Bahnhofgebäude die Nr. 4. Dann begann das große Rätseln, weil das folgende ehemalige Speditions- und Lagergebäude die Nr. 4b hatte, die 4a aber nirgends zu finden war. Eine Nr. 4d fand ich noch bei einer östlichen Einfahrt in der Hintermeierstraße. Es fehlen also noch 4a und 4c. Um nochmal auf das um 2007 geschlossene Postamt, das nach einigen Umnutzungen im Parterre von einer Zahnarztpraxis genutzt wird, zurückzukommen, ist festzustellen, dass das Haus Nr. 3 nach längerer Verhüllung zu leuchten begann und den ganzen Oertelplatz mit seiner Farbgebung beherrschte.

Gehört das ehemalige Postgebäude zweifellos zum Oertelplatz, so ist ein anderer Fixpunkt des Bahnhofbereichs schon am Rande: Der ehemalige Hochbunker von 1942 an der Lautenschlägerstraße. Drei Hochbunker hatten wir in Allach, einer stand in Untermenzing an der Ecke Allacher/ Krautheimstraße. Der Bunker in der Lautenschlägerstraße stand wie der in der Franz-Nißl-Straße lange leer, wurde nach einigen Zwischennutzungen von einem Allacher Unternehmer gekauft und als Hotel geplant (Bild 5). Ein grober Weltkriegsbunker mit meterdicken Eisenbetonwänden sollte in eine feine Herberge verwandelt werden. Interessant war hier der Grundgedanke der Denkmalschützer, dass dieses Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg auch nach dem Umbau als ehemaliger Schutzbunker erkennbar oder zumindest erinnerbar sein sollte. Das ist nach der Meinung auch vieler Mitbürger nach einer langdauernden und für die Anlieger höchst unangenehmen Bauphase mit dem heutigen „Bunkerhotel“ weitgehend gelungen. Allerdings sollte dort eine Erinnerungstafel angebracht werden.

Nach dem Entwurf des Büros Hierl Architekten sollte dann der Oertelplatz zu einem Quartiersplatz umgestaltet werden. Wenn alles gutgeht auf dem Weg vom alten Bahnhofplatz zum Oertelplatz als Stadtquartier, bekommt unser Stadtbezirk ein neues Zentrum, das unter Einbeziehung der Wohnungen an der Maria-Sibylla-Merian-Straße bis zur Hintermeierstraße weit größer ist als der alte Oertelplatz und darauf neben Wohnbebauung viel Platz läßt für den Kommerz, aber sicher auch für unsere Stadtteilkultur mit den interessanten Semesterangeboten unserer neuen VHS-Abteilung und den Quartalsangeboten der neuen ASZ-Abteilung. Heute befindet sich im Kopfbau das „Einkaufszentrum EVER.S“. Hinter dieser merkwürdigen Bezeichnung verbirgt sich die für unseren Stadtbezirk so bekannte Eversbuschstraße. Diese ist nach dem bekannten Mediziner Dr. Oskar Eversbusch (1853-1912), dem Direktor der Münchner Universitäts-Augenklinik, benannt.

 

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