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Schweighart, Hans – ein gebürtiger Allacher als bayerischer Fememörder

Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet

Bild 1 (Bild: Staatsarchiv München)

Sie erinnern sich sicher an meinen Artikel vom Dezember 2020 mit der Überschrift „Erich Klapproth, der Bruder der ‚Schwarzen Rosa‘, in dem ich von Erich Klapproth, dem weniger bekannten Mann der im Stadtbezirk geschätzten Malerin Edeltraut Klapproth berichtete. Er war zwar nicht in Allach geboren, war aber in der Weimarer Republik ein mehrfacher deutscher Fememörder, der am 3. Mai 1945 in der Karlsfelder Birkenstraße, also unmittelbar an Allach angrenzend, vor seinem Haus erschossen wurde.

Am 6. Oktober 2020 erschien in der SZ ein Artikel von Sabine Reithmaier mit der Überschrift: „Ein kurzes Leben. Maria Sandmayr (Bild 1) wurde vor 100 Jahren als angebliche Vaterlandsverräterin ermordet. Doch sie lebt bis heute in Romanen und Theaterstücken weiter." Es ist eine abenteuerliche Geschichte, auf die die Landsberger Historikerin Edith Raim im Zuge ihrer Forschungen zu den bayerischen Einwohnerwehren im Fall Maria Sandmayr stieß. Frau Reithmaier berichtet in der SZ darüber, dass der Schriftsteller Lion Feuchtwanger diesen Fall 1930 in seinem Roman „Erfolg“ und Ödön von Horvath in seinem Theaterstück 1928 „Sladek, der schwarze Reichswehrmann“ verarbeiteten. Im Verlauf des SZ-Artikels tauchte dann der Name des Einwohnerwehrmanns Hans Schweighart auf. Diesen hatte ich bereits vor Jahren in einem Wikipedia-Artikel als am 12. Juli 1894 geborenen Allacher gefunden, der am 1. Juli 1934 im KZ Dachau starb.

Nun war mein Interesse geweckt, weil vor allem nicht zusammenpassen wollte, dass ein extremer Rechter und bayerischer Fememörder wie Schweighart im KZ Dachau enden sollte. Inzwischen war mir aus einer Akte des Stadtarchivs München klar geworden, dass Schweigharts Vater Protokollführer im Allacher Gemeinderat war und ein Protokoll vom 30. Mai 1902 vorlag, in dem über den Gleisanschluss für Diamalt bestimmt wurde (Bild 2). Er war zugleich von 1895 bis 1908 Lehrer im Schulhaus Eversbuschstraße 180, so jedenfalls schreibt Rudolph in seinem Stadtteilbuch von 1997.

Lehrer Schweigharts Sohn Hans hatte die 8. Klasse des Gymnasiums wegen andauernden Krankheitsfällen verlassen, war in die Bayerische Armee eingetreten und hatte diese 1914 als Unteroffizier verlassen. Nach der Teilnahme am Weltkrieg 1914 - 1918, in dem er es bis zum Leutnant der Reserve gebracht hatte, trat er im Mai 1919 dem Freikorps Epp bei. Nach vielen abenteuerlichen Zwischenaufgaben landet er im Kreis der extremen Rechten in Süddeutschland. Nach einigen Verwicklungen in Waffenschieberaktionen betätigte er sich für das Münchener Wehrkreiskommando und kam so zu der Aufgabe, dort über mögliche Waffenverräter zu berichten. 1920 arbeitete Schweighart im Gerätelager der Reichswehr, das damals in der Zuständigkeit von Hauptmann Ernst Röhm, dem späteren Stabschef der SA (Sturmabteilung), war. Bald war er aber wieder arbeitslos.

Wie Frau Reithmaier berichtete, war Schweighart am 06.10.1920 in München beim Fememord an dem Dienstmädchen Maria Sandmayr beteiligt. Diese hatte gedroht, ein verstecktes Waffenlager der Freikorpsbewegung im Schloss ihres ehemaligen Dienstherrn anzuzeigen (Bild 3).

Der Begriff „Feme“ beinhaltet eine Form der mittelalterlichen Strafjustiz und deren verhängte Strafen. Im Historischen Lexikon Bayerns finden wir zur weiteren Erklärung: “Femetaten stellten eine besondere Form der Verbrechenskategorie des politischen Mordes dar und bezeichneten eine Form der geheimen Selbstjustiz, indem Angehörige vaterländischer Organisationen vermeintliche Verräter von Waffenlagern und ähnlichen Geheimnissen töteten. Zwischen 1920 und 1923 starben in Bayern 6 Menschen durch Fememorde.“ Nicht nur die bayerische Strafjustiz erwies sich politisch rechtsstehenden Straftätern gegenüber höchst großzügig. Ich erinnere meine Leser nochmals an Erich Klapproth, den Bruder der „Schwarzen Rosa“. Der Mörder der Maria Sandmayr war dann ein Hermann Berchtold, der sie erdrosselte und den Mord 1931 gestand. Der zunächst als dringend tatverdächtig Gesuchte Schweighart konnte mit Hilfe der Münchner Polizei nach Österreich fliehen und war auch dort wieder schnell in illegale Waffengeschäfte verwickelt.

Nach München zurückgekehrt wurde er zunächst verhaftet und sehr bald unter merkwürdigen Begründungen wieder freigelassen. Aber noch im Jahr 1926 nahm man Schweighart wiederum wegen des Verdachts in Haft, den Münchner USPD-Politiker Karl Gareis (Bild 4) vor seinem Haus in der Schwabinger Feilitzschstr. 3 ermordet zu haben. Und wieder entkam er der Gerechtigkeit. Nach seiner Freilassung verschwand er bis 1933. Man weiß jedoch, dass er sich noch 1931 der SA angeschlossen hat und als Duzfreund von Ernst Röhm rasch Karriere machte. Das zeigte sich darin, dass er als Adjutant der SA in die Stabsstelle seines einflußreichen Freundes Franz von Epp, Reichsstatthalter in München, aufgenommen wurde. Schon im Dezember 1933 wechselte er wieder in den Stab von Ernst Röhm, womit er sich in eine ungeahnte Gefahr manövrierte. Schweighart wohnte damals in München in der Rosenbuschstr, 5/1.

Am Morgen des 30. Juni 1934 überschlugen sich die Ereignisse: Schweighart wurde zusammen mit Röhm und einigen Angehörigen seines Stabes in Bad Wiessee in Haft genommen und ins Gefängnis München-Stadelheim gebracht. Röhm erschoss man dort am 1. Juli 1934 in seiner Zelle, Schweighart überführte man mit einigen SA-Führern ins KZ Dachau und exekutierte sie durch ein Erschießungskommando. Schweighart schloss man durch einen Führerbefehl posthum aus der SA aus. Als Röhmputsch werden die Ereignisse Ende Juni/ Anfang Juli bezeichnet, bei denen die Führung der Nationalsozialisten unter Adolf Hitler die Führungskräfte der SA einschließlich des Stabschefs Ernst Röhm ermorden ließ. Röhm wurde zur Verwunderung vieler im Familiengrab (59-3-1) im Münchner Westfriedhof begraben (Bild 5), während man die anderen nach ihrer Ermordung alle einäscherte.

Weiter half mir dann Herr Knoll vom Gedenkstätten-Archiv Dachau mit sehr detaillierten Informationen. Der SA-Standartenführer Johann Schweighart wurde also in Zusammenhang mit den Röhm-Morden im KZ Dachau als einer von 90 Röhm-Anhängern hingerichtet.

Knoll verweist dazu u.a. auf den bekannten Münchner Anwalt Dr. Otto Gritscheneder (1914-2005) in dessen Buch „Der Führer hat Sie zum Tode verurteilt“ zu lesen ist: „Die SS-Offiziere Eicke und Lippert brachten Schweighart am 1.7.1934 von Stadelheim in das KZ Dachau und ermordeten ihn dort.“ Schweighart gehörte zu den mehreren Tausend Hinrichtungsopfern, deren Leben im KZ brutal beendet wurde.

In Dachau gab es 1934 noch kein Krematorium, deshalb wurden die grausam verunstalteten Leichen in verschlossenen Behältern zum Krematorium im Ostfriedhof verfrachtet. In einem Dokument aus dem Städt. Bestattungsamt München sind die Vorgänge vom Juli 1934 von einem Krematoriumsangestellten beschrieben: „16 Tote von Dachau mittels Möbelwagen am 2.VII.34 nachts 1/2 12 Uhr ins Krematorium gebracht, vorerst ohne Namen, nur mit Drillichhose bekleidet, Tuch vor dem Mund, erschlagen und unkenntlich gemacht, darunter Leichen, die wohlernährt und gepflegt aussahen, an Armen und Beinen zerschunden und zerfetzt, was auf Marterung schliessen lässt, zum Teil gefesselt.“

Ein schauriges Ende einer schlimmen Karriere. Das Grab der Eltern von Hans Schweighart ist bis heute ungekannt.

 

 

 


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