München wird größer (1838-1938) durch Allach-Untermenzing
Stadtteilhistoriker Walter Demmel berichtet über die Stadterweiterung Münchens
Wie unseren älteren Mitbürgern sicherlich bekannt, wurden Allach und Untermenzing zusammen mit Obermenzing, Ludwigsfeld und Solln am 1. Dezember 1938 nach München eingemeindet. Vom Dorfschreiber von Obermenzing, Adolf Thurner, erhielt ich dazu folgenden Hinweis: „Zu diesem Anlass wurde vom seinerzeitigen 2. Bürgermeister der ’Hauptstadt der Bewegung’, Dr. Karl Tempe,l eine Festschrift herausgegeben, die von einem Gottfried Klein ’künstlerisch ausgestaltet’ wurde. Bekannt war bisher, dass anlässlich dieses Ereignisses ein ½-Liter Bierkrug mit Zinndeckel an interessierte Bürger ausgegeben (wohl verkauft) wurde.“ Thurner kam rein zufällig in den Besitz dieses Maßkruges mit Zinndeckel, der wohl für prominente Bürger bestimmt und von dessen Ausgabe bisher nichts bekannt war, und stellt hiermit dieses Bild zur Verfügung. Es ist wohl anzunehmen, dass dieser Bierkrug bisher nur wenigen Mitbürgern bekannt war.
Die Stadterweiterung Münchens ist aber, wie man sieht, keine Entwicklung vergangener Jahrzehnte, sondern geht bereits in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück, beginnt mit Au, Haidhausen und Giesing und endet zunächst mit der Eingliederung des Wohnlagers Frauenholz 1962.
Allach (damals 4600 EW) und Untermenzing (damals 4800 EW) wurden zusammen mit Obermenzing, Solln und Ludwigsfeld am 1. Dezember 1938 eingemeindet.
In einer prächtigen Festschrift zu diesen Eingemeindungen schreibt der damalige nationalsozialistische OB Fiehler: „Ich bin überzeugt, dass diese (Gemeinden) das Opfer ihrer Selbständigkeit gerne bringen, um auf solche Weise im Rahmen der Hauptstadt der Bewegung und der Stadt der Deutschen Kunst auch ihrerseits zum Erfolg des Werkes des Führers beizutragen.“ Den Vertrag über die Eingemeindung Allachs unterzeichnete der Bürgermeister Johann Bäumer, jenen für Untermenzing der Bürgermeister Josef Grandl jeweils am 27.10.1938. Doch die Bürger waren keineswegs begeistert.
Diesem Ereignis war jedoch ein jahrzehntelanger Streit um die Beibehaltung der Selbständigkeit vorausgegangen, der hier nach den Akten des Stadtarchivs München dargestellt wird. Zunächst, nämlich im April 1925, hieß es von Seiten des Münchner Stadtdirektoriums, dass die Gemeinde Untermenzing voraussichtlich bereit sei, einer Eingemeindung zuzustimmen. Im Oktober des Jahres erklärte Bürgermeister Diem, der Angestellter der Stadtgartendirektion war, er sei geneigt, die Untermenzinger Arbeiter für die Eingemeindung zu gewinnen. Untermenzing (Vgl. Abbildung aus dem Jahr 1926) hatte damals 1666 Einwohner, von denen ca. 78 % Arbeiter waren. Denen müsste man nur die Vorteile, die eine Eingemeindung für sie bringen würde, gut vor Augen führen. Schon für den November 1925 wurde ein Gang durch den Gemeindebezirk vereinbart, über den nichts Weiteres bekannt ist.
Nach einem Stillstand im Jahr 1926 kommt es Mitte 1927 zu konkreten Verhandlungen mit Max Näther, dem gerade neu gewählten 1. Bürgermeister von Untermenzing. Verhandelt wurde über den Verkauf des Inselbades und den Kauf der Angerlohe. Näther brachte vor, dass aus seiner Sicht die bürgerlichen Parteien nicht sonderlich geneigt seien, sich München anzuschließen. Dazu ist die damalige Zusammensetzung des Gemeinderats interessant, in dem die SPD 7, die Bürgerlichen 3, die Bauern 2, die Hausbesitzer 1 und die Kommunisten 1 Mitglieder hatten. Die Kleinsiedler waren zumeist Sozialdemokraten, bei den Bürgerlichen schienen vor allen ein Lehrer Neidecker, ein Buchhalter Hofmann (bei Kirsch & Söhne) und der Baumeister Beer besonderen Einfluss zu haben.
In den folgenden Jahren treten bei den Verhandlungen immer stärker die unterschiedlichen Interessen in den Vordergrund. So sind die Bauern aus traditionellen Gründen gegen eine Eingemeindung und auch die Allacher und Untermenzinger Firmen, weil sie höhere Löhne zahlen müssten. Die Arbeiter hatten wegen der erhofften Lohnerhöhungen höchstes Interesse an der Eingemeindung, auch die zum Bürgerblock gehörenden Lehrer, Pensionisten u.a. erhofften sich ein besseres Gehalt in der neuen Ortsklasse A. Insgesamt schien aber eine Mehrheit für die Eingemeindung möglich, was im Januar 1928 auch Näther bestätigte. So bittet der Münchner Stadtrat Untermenzing um einen Gemeinderatsbeschluss, in die Eingemeindungsverhandlungen einzutreten.
Am 22. März 1928 beschloss daraufhin der Gemeinderat Untermenzing mit 13 Stimmen (einer entschuldigt) einstimmig: „Der Gemeinderat Untermenzing ist gewillt, mit dem Stadtrat München in Eingemeindungsverhandlungen einzutreten. Da der Zeitpunkt für eine Eingemeindung noch nicht gegeben erscheint, sind die bisher hiezu angeführten Gründe nicht hinreichend. Der Stadtrat München wolle des Weiteren mit praktischen Unterlagen und Angeboten dienen.“ In den folgenden Monaten kommt es zwar zu einer Nennung der Vertreter des Untermenzinger Gemeinderats in einem Beratergremium, über die Inhalte der künftigen Verhandlungen scheint es jedoch, wie das Hin- und Her der Schreiben im Jahr 1928 zeigt, nicht nur mit Untermenzing, sondern auch mit Allach so erhebliche Differenzen gegeben zu haben, dass die Verhandlungen in den folgenden Jahren ruhten. Damit ist aufgezeigt, dass man sich, wie Rudolph in seinem Buch (S. 101) schreibt, in Allach und Untermenzing nicht erst seit 1928 mit dem Problem der Eingemeindung befasste.
Einige Jahre vor der Eingemeindung wurden die Wappen für die Gemeinden Allach und Untermenzing von Professor Otto Hupp (1859-1949), einem bekannten Oberschleißheimer Heraldiker (Wappenkundiger- und künstler) entworfen, und von Untermenzing noch von 1935 bis 1938 als Siegel verwendet. Das Allacher Wappen kam nicht mehr zur Verwendung.
Neun Jahre später wurde der Gedanke der Eingemeindung von Allach wieder aufgegriffen, wie im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom Juli 1937 nachzulesen ist. Man betont, dass es mit der Eingemeindung keine Besserstellung der Allacher Bevölkerung geben werde und die Gemeinde ihre Aufgaben selbst erfüllen könne wie die Errichtung eines großen Gemeindebades, die Vergrößerung des Jugendheimes, den gründlichen Ausbau des Straßennetzes, die Erbauung eines Verwaltungsgebäudes mit Räumen für das Feuerlöschwesen und die Schaffung einer Siedlung für Minderbemittelte. Allach vor allem, aber auch Untermenzing wollten selbständig bleiben, ein Widerstand, der unter nationalsozialistischer Regie den Eingriff von oben her provozierte. General von Epp, der damalige Reichsstatthalter für Bayern, ordnete die unverzügliche Eingemeindung an, und es geschah, wie anfangs beschrieben. Noch 1938 wird Adolf Hitler Ehrenbürger von Allach und Obermenzing, in Untermenzing widmete man die Hauptstraße in eine Adolf-Hitler-Straße um.
Für das Jahr 2013 ist eine Ausstellung zur Eingemeindung vor 75 Jahren geplant. Wer dazu etwas beisteuern kann, möge sich unter Tel. (089) 8123072 bei Walter Demmel melden.
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