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„Merkwürdige Argumentation“

Kein Lkw-Nachtfahrverbot: Bezirksausschuss kritisiert KVR-Entscheidung

Im Paul-Ehrlich-Weg sind nicht nur tagsüber etliche Lkws - unter anderem zu den umliegenden Industriebetrieben - unterwegs. (Bild: sb)

Weder im Paul-Ehrlich-Weg noch in der Goteboldstraße wird es ein Lkw-Nachtfahrverbot geben. Eine entsprechende Empfehlung aus der Bürgerversammlung des 23. Stadtbezirks aus dem Jahr 2016 hat das Kreisverwaltungsreferat (KVR) nun abgelehnt. Die Straßenverkehrsbehörde könne die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten, erklärt das KVR. Gleiches gelte zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen. Allerdings handele es sich dabei um eine sogenannte Ermessensvorschrift, das heißt die Behörde habe bei der Entscheidung neben Individualinteressen wie den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm auch die Interessen der Allgemeinheit zu würdigen und diese gegeneinander abzuwägen.

Straßenverkehrliche Maßnahmen kommen nach Angaben des KVR erst in Betracht, wenn die Beeinträchtigung durch den Verkehrslärm höher sei, als ortsüblich hingenommen werden müsse. Begründet wurde die Bürgerversammlungsempfehlung mit der starken Lärmbelästigung auf dem Paul-Ehrlich-Weg und der Goteboldstraße zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie durch die massive, gesundheitliche Belastung der Anwohner durch Abgase sowie den Ausstoß krebserregender Rußpartikel.

Die im Antrag aufgeführte Verkehrslärmbelästigung kann laut KVR in den genannten Straßen in der für München bestehenden Lärmkartierung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt objektiv nicht nachvollzogen werden. Eine entsprechende Abwägung würde zu dem Ergebnis führen, dass aus Gründen des Lärmschutzes verkehrsbeschränkende beziehungsweise -verbietende Maßnahmen wie beispielsweise ein Lkw-Nachtfahrverbot weder im Paul-Ehrlich-Weg noch in der Goteboldstraße geboten seien.

„Zu der im Antrag angeführten Belastung durch Abgase und den Ausstoß von Rußpartikeln ist auszuführen, dass in München seit dem Jahr 2012 an allen Messstationen (sogar in der Landshuter Allee) die Grenzwerte für Feinstaub eingehalten werden“, heißt es in der Beschlussvorlage des KVR weiter. Bezüglich des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (40 μg/m3 Jahresmittel) habe die Regierung von Oberbayern ein Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) im Gebiet der Landeshauptstadt München veröffentlicht, bei denen dieser Grenzwert nach aktuellstem Erkenntnisstand überschritten werde. In diesem öffentlichen Verzeichnis seien weder der Paul-Ehrlich-Weg noch die Goteboldstraße enthalten. Insofern sehe man aktuell für keine der beiden Straßen eine Veranlassung für straßenverkehrliche Maßnahmen aus Gründen der Schadstoffbelastung, teilt das KVR mit.

„Anwohner fühlen sich belästigt“

„Das ist ein Thema, das uns schon vielfach beschäftigt hat. Uns stört alle, dass die Anwohner sich vor allem auch in der Nacht belästigt fühlen“, erklärte Heike Kainz, die Vorsitzende des Bezirksausschusses Allach-Untermenzng (BA 23), auf der jüngsten Sitzung des Lokalparlaments. Und Falk Lamkewitz sagte: „Die Argumentation, die in der Beschlussvorlage aufgeführt wird, dass ein besonderes Ruhebedürfnis der Bürger nicht erkennbar ist, finde ich sehr merkwürdig. Wenn sie das Ganze mit irgendwelchen Zahlen und Regeln belegen würden, wäre es nachvollziehbar. Aber so klingt es für mich nur nach Willkür“, so der Grünen-Fraktionssprecher. „Es scheint, als hätten sie keine Lust, sich mit der Sache auseinanderzusetzen. Die Bürger haben sich ja nicht umsonst beschwert und fordern nicht umsonst ein Nachtfahrverbot. Deshalb ist für mich die Begründung des KVR nicht objektiv nachvollziehbar.“

Henning Clewing findet es bemerkenswert, dass es nicht um den Lärm an sich gehe. „Er wird nirgendwo gemessen und beurteilt. Es wird nur gefragt, ob es in der Lärmkarte des Landesamtes für Umwelt steht. Wenn ja, dann ist es richtig und wenn nein, dann kann man nochmal weiterreden“, betonte der FDP-Politiker. „Ich kann gar nicht glauben, dass unsere Stadt so funktioniert. Man macht ein Lärmregister und alles anderes interessiert nicht. Wie groß der Lärm dann wirklich ist, ist vollkommen egal. Daran muss ich mich erst noch gewöhnen“, so der 87-Jährige.

Bezirksausschuss fordert Lärmmessungen

Die Lärmkartierungen hätten natürlich schon ihre Begründung, erklärte Heike Kainz. „Aber wir müssen nicht akzeptieren, wenn nicht die tatsächlichen Verhältnisse angeschaut werden, sondern etwas Theoretisches berechnet wird“, meinte die CSU-Stadträtin. Ausgelöst würden die Lärmbelästigungen von den in der Nähe angesiedelten Industriebetrieben. „Mich würde auch interessieren, wie viele Nachtfahrten insgesamt von der Stadt pro Woche oder im Monat genehmigt sind“, ergänzte Fritz Schneller (SPD). Der BA 23 hat der Beschlussvorlage nicht zugestimmt und fordert konkrete Lärmmessungen.


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