Lernen und Arbeiten bei Krauss-Maffei (Teil 2) zwischen 1939 und 1993
Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet
In der neuen, farbigen Karl-Gayer-Unterführung finden wir auch die bildhafte Aussage, dass Krauss-Maffei die Panzerschmiede sei (Bild 1). Dies ist die freie Künstlermeinung von Herrn Blumöhr, aber nicht die Wahrheit. Mit Recht weist Krauss-Maffei auf die Firma KM-Wegmann hin, die 1999 entstand und in unseren Tagen den Leopard 2 und andere Militärfahrzeuge baut. Krauss-Maffei selbst ist schon seit Jahren ein weltweit anerkannter Produzent von spritzgießtechnischen, reaktionstechnischen und automationstechnischen Anlagen und wehrt sich ständig gegen die Gleichsetzung mit dem Wegmann-Panzerbau. Historisch hat sich Krauss-Maffei in und mit dem Lokomotivbau, dem Dampf-, Elektro- und Diesellokomotiven entwickelt. Und Krauss-Maffei hatte und hat eine Lehrwerkstätte.
Mein erstes Beispiel für Lernen bei Krauss-Maffei entnehme ich den „Erinnerungen aus meinem Leben“ von Johann Huber (Jg. 1925), einem geborenen Münchner und bis zu seinem Tod ein Untermenzinger, der nur Monate nach seiner Frau im Allacher Friedhof 2016 begraben wurde. Für mich war er ein wichtiger Zeitzeuge, bei dem ich einige Male zu Besuch in der Esmarchstraße war und von ihm viel erzählt bekam.
Nachdem sein Lehrer Winckler vor Abschluss der achten Klasse (Bild 2) seinen Schülern die Frage stellte, was sie so werden wollten, äußerte er für den Huber sehr überraschend: „Ja, der Huber, der wird natürlich Technischer Zeichner, weil der so gut zeichnen kann!“
Da sein Vater Chefportier bei Krauss-Maffei war, konnte dieser die Vermittlung einer Lehrstelle bei der Firma schnell selbst einfädeln. Schon in den nächsten Tagen mußte er sich beim Direktor Avenmarg, einem im Eisenbahnbau bekannten Ingenieur, im ersten Stock des neuen Verwaltungsgebäudes an der Krauss-Maffei-Straße vorstellen. Diese dauerte nur kurz, anschließend ging er ins Parterre und schon war er eingestellt als Technischer Zeichner. Tage später kam auch schon der Lehrvertrag zum Unterschreiben und das damalige „Berufsbild des Technischen Zeichners“ zur intensiven Lektüre.
Bald nach dem Abschluss der Volksschule erfolgte der Lehrantritt am 11. April 1939, es war ein Dienstag. Mit ihm begann nicht nur ein Klasskamerad die Technische-Zeichner-Lehre, sondern auch die kaufmännischen und die handwerklichen Lehrlinge begannen in ihren Werkstätten (Bild 3). Die Direktion mußte an diesem Tag 12 Technische-Zeichner-Lehrlinge den einzelnen Konstruktionsbüros zuweisen, damals waren es der Lokomotiv-, der Schleudermaschinen-, der Signal- und der Zugmaschinenbau und die Abteilung 8, wo Huber beim Büroleiter, Ingenieur Fertl, landete. „Dieses Büro, es war ein riesengroßer Saal, in dem viele Ingenieure an ihren Zeichenbrettern rundherum an den drei Fensterseiten arbeiteten, war nun für mich die nächsten zwei Jahre meine Ausbildungsstätte.“ Bald nach Eintritt in die Lehre musste sich Huber an der Berufsschule in der Deroystraße anmelden.
Da die Ausbildung von 1939 bis 1942 erfolgte, erlebte Huber in dieser Zeit mit dem Angriff auf Polen den Ausbruch des 2. Weltkriegs mit allen Konsequenzen für die Firma Krauss-Maffei, die Schritt für Schritt zum Rüstungsbetrieb wurde, und auch für ihn (Bild 4). Das öffentliche Leben und die persönlichen Bedürfnisse erfuhren eine neue Dimension. Huber schrieb in seiner Rückschau davon, dass es ein großer Einschnitt in seiner Entwicklung gewesen sei, da er damals immerhin erst 15 Jahre alt war. Sein Leben wurde vom Krieg bestimmt, und das besonders in der Firma. Die Lehrlinge mußten per Hand in sauberster Druckschrift die damals üblichen Baustofflisten schreiben, für jeden Auftrag Hunderte von Seiten, in aller Eile musste von ausgewählten Lehrlingen für die Entwicklung der Halb- und Vollkettenfahrzeuge gezeichnet werden. Nach Beendigung der kriegsgeprägten Lehrzeit im September 1942 kündigte Huber und meldete sich zum Vorkurs für die Aufnahme in die staatliche Ingenieurschule München.
Mein zweites Lern- und Arbeitsbeispiel ist neueren Datums in der Nachkriegszeit. Von einem meiner geschätzten Nachbarn aus unserer Reihenhaussiedlung an der Grandauerstraße, Herrn R. R., wusste ich aus einem Jahre zurückliegenden Gespräch noch, dass er bei Krauss-Maffei gelernt und dort bis zu seiner Rente gearbeitet hatte. Dazu stellte er mir alle notwendigen Daten und Bilder zur Verfügung. Daraus war zu ersehen, dass bereits sein Vater als Reparaturschlosser gearbeitet, seine beiden älteren Brüder als Modellschlosser und Dreher bei Krauss-Maffei gelernt und gearbeitet hatten. Aus vielen Zeitzeugengesprächen wurde mir klar, dass Krauss-Maffei über Jahrzehnte hinweg eine Familienfirma und auch eine Firmenfamilie war.
Herr R. R. ist 1938 in der Nähe von Erding geboren und in Allach aufgewachsen, wohnte in der Piperstraße und ging in der Franz-Nißl-Straße bis zur 8. Klasse zur Schule, die er am 17. Juli 1952 mit gutem Erfolg abschloss.
Er unterzeichnete zusammen mit seiner Mutter – sein Vater war kurz vorher gestorben – am 1. September 1952 einen Lehrvertrag als Dreher bei Krauss-Maffei, der bis zum 31. August 1955 datiert war. Dazu erhielt er für die praktische Ausbildung das Berufsbild des Eisen- und Metalldrehers (Bild 5). Interessant für uns Heutige ist die Ausbildungsbeihilfe mit wöchentlich DM 11,50 im 1., 14,-- im 2., 16,-- im 3. und 18,50 im 4. Lehrjahr. Die Berufsschule besuchte R. wie Huber im Schulgebäude an der Deroystr. 1 und erhielt dort am 16. Juli 1955 mit gutem Erfolg sein Entlassungszeugnis. Von 1968 bis 1972 war ich dort bei Metallberufsschülern Lehrer für Fachrechnen, Deutsch und Sozialkunde.
Wie aus einer Bestätigung seiner Beschäftigung vom 22. Januar 1965 zu ersehen ist, wurde Herr R. R. seit seinem Lehrabschluss als Dreher bis 1967 als Kontrolleur, Karusselldreher, Schleifer und Oberkontrolleur bei Krauss-Maffei eingesetzt. Von der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern erhielt er im Juli 1965 das Prüfungszeugnis als Industriemeister der Fachrichtung Metallverarbeitung und war damit an weiteren Stellen der Firma einsetzbar. Er arbeitete von 1968 bis 1972 als Meister der innerbetrieblichen Transportabteilung (Bild 6). Von 1972 bis 1975 war er freigestellter Betriebsrat, von 1972 an auch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Firma. 1975/76 war Herr R.R. Ausbildungsmeister und von 1976 bis 1986 als Ausbildungsleiter mit 20 Ausbildungsmeistern für gewerbliche Auszubildende zuständig. Von 1987 bis 1993 war er Personalreferent bei der Gießtechnik GmbH und verließ Krauss-Maffei zum 31. März 1993 wegen Schließung dieser Abteilung. Ein Beispiel einer besonders vielseitigen Tätigkeit!
In einem letzten und 3. Teil werde ich gegen Ende des Jahres Deutsche und Fremdarbeiter bei Krauss-Maffei vorzustellen versuchen.
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