„Harmonie" in Untermenzing?
Ein Lebensmittelgeschäft und späteres Café zwischen 1930 und heute
Ein Foto des Hauses an der Allacher Str. 148, vormals Moosacher Str. 77, schaut heute so aus (Bild 1), nur der Blumenladen hat einen anderen Besitzer. Die heutigen Hauseigentümer wohnen seit den 60er Jahren im Haus. Mir selbst ist an dieser Stelle noch aus den 70er Jahren das Café Hertl mit seinen vorzüglichen Kuchen und der immer gutaussehenden Eigentümerin in bester Erinnerung. Die Allacher Straße ist in unseren Tagen dicht bebaut, ebenso ihr näheres und weiteres Umfeld. Ein Foto aus den 30er Jahren, aus denen das Haus stammt, kann nicht gezeigt werden, wird jedoch dringend gesucht. Die Hauseigentümerin erzählte mir, sie könne sich noch gut an ein Kornfeld gegenüber erinnern, das sich bis zur jetzigen Von-Kahr-Straße hingezogen habe. Merkwürdig scheint mir, dass in der vormaligen Moosacher Straße die ungeraden Hausnummern auf der nördlichen, die geraden auf der südlichen Straßenseite waren. Die auffallende Umbenennung erfolgte nach Auskunft des Münchner Kommunalreferats 1947.
Die Geschichte des Hauses Nr. 148 ist weitgehend unbekannt, einige alte Untermenzinger aber, die mir davon erzählten, haben aus ihrer Jungmannzeit die besten Erinnerungen an einige ausgedehnte Tanzabende im „Harmonie“, wie das Café damals hieß. Einer erinnert sich, dass es um die 500-Jahr-Feier Münchens, also 1958, gewesen sein müßte. Ein Gebietsplan vom März 1939 (Bild 2) zeigt die wenig bebaute Gegend um die damalige Moosacher Straße.
Man sieht deutlich die Moosacher Straße, die auf der Nordseite nur fünf Gebäude aufweist, und die in Abschnitten bebaute heutige Von-Kahr-, damalige Müllerstraße. Als schwarzer Punkt ist die spätere Allacher Straße 148 zu sehen. Um diesen Punkt ist ein Kreis mit einem Radius von 500 Metern gezogen, auf dessen Bedeutung an späterer Stelle noch eingegangen wird. Ganz deutlich ist nördlich das fast noch freie Angerlohfeld zu sehen.
Lediglich die mit Abzweigungen etwas verwinkelte damalige Kreuz- und heutige Gruithuisenstraße, die in die spätere Manzostraße einmündete, zeigt einige merkwürdig gereihte Häuser auf. Ob sich daran noch jemand erinnert? Die Happach-Siedlung?
Keine Häuser an allen genannten Straßen sind auf einer Karte von 1926 zu sehen. Man konnte damals von der damaligen Müllerstraße ungestört bis zur Angerlohe sehen und an deren Rand das Haus des ehemaligen Militärtrompeters im 1. Weltkrieg und Postboten Fritz Staudigl (1875-1949), jetzt Rueßstr. 58, und den südlichen Torbogen, hat heute nur noch im Winter sichtbare Überreste, des Treuefest-Geländes ausmachen.
Das damalige Angerlohfeld war also um 1926 noch weitgehend unbebaut. Nach dem vorliegenden Lageplanausschnitt von 1928 (Bild 3) ist zu sehen, dass der Anfang der Westseite der heutigen Gruithuisenstraße gerade bebaut wird, das östliche Eckgrundstück zur Moosacher Straße aber noch nicht bebaut ist und, wie so viele, Georg Trinkl gehörte. Dorthin wurde in den folgenden Jahren das Geschäft des Herrn Wägele gebaut. Nun zum oben erwähnten Mittelpunkt des Kreises an der damaligen Moosacher Str. 77. Im Juli 1937 übernahm der Kaufmann Franz Rubi, ein 1884 geborener Österreicher, von dem nicht näher bekannten Herrn Wägele ein Lebensmittel- und Kolonialwarengeschäft, für das er dann noch 1937 einen Antrag auf Erlaubnis zum Kleinhandel mit Branntwein stellte.
Rubi hatte sein Lebensmittelgeschäft im Januar 1937 von der Angerlohstraße nach der damaligen Moosacher Str. 77 genehmigungsfrei verlegt. Die Akten im Stadtarchiv nennen die Angerlohstr. 20, was nicht sein kann, weil das Haus mit dieser Nummer erst 1934 gebaut wurde. Auch für die Angerlohstr. 11 wird ein Nährbierverkauf angegeben, ein Laden, der später in der Angerlohstr. 9 war und heute die „Pflege mit Herz“ beherbergt. Links war das Lebensmittelgeschäft, nebenan ein Milchladen.
Seine neue Verkaufsstelle bestand nach einem Neubau des Hauses im selben Jahr, und Herrn Rubi wurde, trotz einer Anzeige wegen eines längeren ungenehmigten Branntweinverkaufs, der beantragte Kleinhandel mit Bier- und Nährbier im Sommer 1938 genehmigt. Und schon folgte sein Antrag auf Verkauf von offenem Branntwein über die Straße, weil in der neuen Kolonie Happach Bedarf entstanden sein sollte. Wo diese Happach-Kolonie angesiedelt war, konnte ich trotz vieler Nachfragen bis heute nicht erfahren. Bekannt ist mir, dass die in meinem Buch beschriebene Gastwirtschaft Schmidbauer einige Jahre „Happach“ hieß und es in den 30er Jahren einen SPD-Sängerbund „Happach“ gab, der von der Politischen Polizei jener Jahre aufgelöst wurde.
Das nach der 1938 erfolgten Eingemeindung zuständige Städt. Vermessungsamt München lieferte 1939 den obigen Plan (Bild 2), nach dem die Genehmigungsbehörde feststellte, welche Geschäfte mit offenem Branntweinhandel im näheren Umkreis vorhanden waren. Es waren dies laut Bezirksamt München: Xaver Graßl in 900 m, Maria Schessel in 300 m, Elisabeth Scheidl in 400 m und Ludwig Hauser in 500 m Entfernung. Nach längeren Auseinandersetzungen mit der Gemeinde Untermenzing und dem Bezirksamt erhielt Rubi im März 1939 für sein Lebensmittelgeschäft auch die Genehmigung des offenen Branntweinverkaufs.
Zum Oktober 1947 stieg Rubi wegen seines Alters, Tod seiner Frau und Sorge um seine Pflegetochter aus dem Geschäft aus, und es übernahm Martin Hofstetter und seine Frau Maria, auch eine Österreicherin, das Geschäft, während Rubi im Hause wohnen blieb. Als weitere naheliegende Verkaufsstellen werden genannt: Häberlen (Moosacher Str. 90), Campenrieder (Moosacher Str. 1), Forster (Angerlohstr. 11), Feldbauer (Angerlohstr. 34) und Graßl (Eversbuschstr. 15).
Im August 1953 verpachtete Rubi an Hofstetter und ließ eine Kaffeeschänke nach Plan (Bild 4) anbauen. Im September wurde ein Martin Braun genannt, unter dem das gesamte Geschäft nach vorliegendem und noch von Hofstetter unterschriebenen Plan ausgebaut wurde. Im März 1955 wurde das Lebensmittelgeschäft und die Kaffeeschänke von Frau Braun übernommen. Das Städt. Gewerbeamt lobte die gediegene Aufmachung, nannte als Gästekreis Geschäftsleute, Angestellte, Bewohner der nahen Siedlung Happach und geplante Musik- und Tanzveranstaltungen. Damit befinden wir uns nach längerem Vorlauf in der Zeit des „Café Harmonie“.
Die Entwicklung bis heute kann nur in Stichpunkten wiedergegeben werden, weil dazu noch viele Details fehlen. Es übernahm von Frau Braun 1962 zunächst ein Herr Juranek, dem als Pächter Herr Seebach folgte, der das Café mit einer 3-Zimmerwohnung 1964 an Valerie Knamm verpachtete. Nach Aussagen von Frau Hertl kaufte dann die Familie ihres Mannes Grund, Haus und Geschäft, sie und ihr Mann eröffneten dort anschließend ihre Bäckerei/Konditorei mit Café, wobei wir anschließend im Café Isaak ohne „Harmonie“ in der Gegenwart gelandet wären.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH