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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
„Es ist an der Zeit Flagge zu zeigen“
TSV Allach 09 engagiert sich gegen Diskriminierung und Rassismus
„Der Fußball in Allach im Jahre 2019“: Unter diesem Titel wenden sich Maximilian Ostermann und Farhid Habibi, die beiden Vorstände des TSV Allach 09, in einem Schreiben an die Öffentlichkeit. Der Verein, der 1909 unter anderem von sächsischen Stahlarbeitern der Gießerei Krautheim gegründet wurde, stehe für Vielfalt, Kameradschaft, Toleranz, Fairness und Freundschaft. Die Stahlarbeiter hätten es vor 110 Jahren geschafft, einen der traditionsreichsten Vereine Münchens zu gründen, erklären die beiden Vereinsvorstände weiter. Man sehe sich veranlasst, „unsere vielen Mitglieder, die ebenso aus der Fremde zu uns gekommen sind, zu ehren und uns zu ihnen zu bekennen. Unsere Mitglieder kommen aus über 30 Nationen und genau diese Vielfalt macht uns aus.“
Man stehe zu jedem Einzelnen, betonen Maximilian Ostermann und Farhid Habibi weiter, „denn für uns ist jeder Einzelne ein echter Allacher, unabhängig der Herkunft, des Aussehens, des Geschlechts und der Kultur. Uns vereinen der Sport und die Leidenschaft für das Runde. Vorurteile, Hass und Fremdenfeindlichkeit haben in unserem Verein keinen Platz. Wir können mit unserem Sport Barrieren überwinden und Brücken bauen. In der heutigen Zeit mag dies wichtiger sein denn je.“
"Toleranz und Freundschaft"
Lange genug seien unnötig Ängste und Sorgen geschürt und Hass verbreitet worden. „Es ist an der Zeit Flagge zu zeigen und sich über den Sport hinaus zu Menschlichkeit, Anstand und Verstand zu bekennen. Mit Toleranz und Freundschaft ist unsere Gesellschaft reich und stark und die Liebe zu den Menschen erweitert unseren Horizont über die Auslinien des Fussballplatzes“, so Maximilian Ostermann und Farhid Habibi weiter. „Der Fussball an sich ist bunt und rund. Hat keine Ecken und Kanten und freut sich über jeden, der ihn schön spielt. Er hat keine Vorurteile und kennt keine Grenzen – so, wie die Gesellschaft sein sollte.“
Den Grund für das Ganze erklärt Farhid Habibi so: „Wir hatten uns vor einiger Zeit überlegt, welche Farbe der Sockel unseres Vereinsheims haben soll. Unsere Kassiererin hat grün vorgeschlagen, weil das ja unsere Vereinsfarbe ist“, so der 2. Vorstand des TSV Allach 09. Als das Grün schlussendlich aufgetragen wurde, „ist ein alteingesessenes Vereinsmitglied zu dem Trainer, der Maler ist und die Arbeit ehrenamtlich übernommen hat, gegangen und hat gefragt, ob das der Habibi veranlasst habe und was als nächstes kommt: ein Kamel, oder was?“
Farhid Habibi, der aus dem Iran stammt und seit über 40 Jahren in Deutschland ist, empfindet dies eigenen Angaben zufolge als Alltagsrassismus. „Ich bin seit zehn Jahren hier im Verein, seit sechs Jahren auch zweiter Vorstand. Doch es gibt Leute im Verein, für die gehöre ich persönlich nicht dazu. Das empfinde ich als sehr schade, denn ich bin vielleicht deutscher als vielen lieb ist.“ Der Vorfall habe ihm die Augen geöffnet, „dass die Furcht vor allem Fremden da ist. Und das Kamel in Verbindung mit meiner Person suggeriert das so. Obwohl ich mich persönlich überhaupt nicht fremd fühle.“ Es sei in den letzten Jahren eher hoffähig geworden, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, als sich zu Toleranz und gegen Ausgrenzung zu bekennen.
Neues Maskottchen?
Der 50-Jährige hat nun eine Idee und den Vorfall, wie er sagt, ins Witzige gewendet: „Ich überlege, ob wir vielleicht für ein Jahr ein grünes Kamel als Maskottchen nehmen sollen“, so der selbstständige Unternehmer. „Vielleicht organisiere ich ein ganz großes Kamel und installiere es auf der Garage des Vereinsheims. Das grüne Kamel soll ein Symbol sein, aufzuwachen und zu verstehen, dass es eigentlich nichts Fremdes gibt. Da sollte sich jeder selbst mal ein bisschen hinterfragen.“
Natürlich wisse er, dass die Idee nicht bei allen im Verein gut ankommen werde. „Ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen und auch keine Mitglieder vergraulen. Deshalb bin ich noch am Überlegen, was genau wir machen werden mit dem grünen Kamel“, sagt Farhid Habibi. „Aber das Ganze ging klar gegen meine Person und ich verstehe es nicht, denn ich habe zusammen mit meinen Kollegen aus der Vorstandschaft sehr viel für den Verein erreicht – und wir wollen gemeinsam noch mehr erreichen.“
Ihm gehe es zudem darum, „Flagge zu bekennen, stellvertretend für alle, denen es genauso geht. Wir wollen auch anderen Vereinen zeigen, dass es gut ist, sich für Toleranz und gegen Ausgrenzung zu engagieren“, betont Farhid Habibi. Aus diesem Grund habe man auch die beiden Hashtags #zeigfussballflagge und #dasgruenekamel ins Leben gerufen.
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