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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
„Erinnerung wachhalten“
Namenslesung anlässlich der Pogromnacht
Am 9. November wurde in der Landeshauptstadt München wieder der jüdischen Bürger gedacht, die in der Pogromnacht 1938 und in den darauffolgenden Jahren entrechtet, verfolgt, deportiert, in den Suizid getrieben oder ermordet wurden – so auch im 23. Stadtbezirk. An der Namenslesung auf dem Oertelplatz nahmen Mitglieder des Bezirksausschusses Allach-Untermenzing (BA 23) und Schüler des Louise-Schroeder-Gymnasiums teil. „In jener Nacht vom 9. auf den 10. November wurden 400 jüdische Bürger ermordet, Synagogen, Geschäfte und Wohnungen niedergebrannt. Und das alles sollte nur der grausame Anfang der jahrelangen Verfolgung und Morde sein. Wir haben uns heute hier versammelt, um uns zu erinnern an das unendliche Leid und Unrecht, das in jener Zeit geschehen ist. Wir wollen den Menschen Ehre zuteil werden lassen und ihrer Seelen und Schicksale gedenken“, sagte Heike Kainz, die Vorsitzende des BA 23.
Man müsse sich gleichermaßen bewusst machen, dass seit dem Ende des Weltkrieges im Jahre 1945 Frieden und Sicherheit in Deutschland herrsche. „Wir alle können uns es kaum noch vorstellen, dass es auch anders sein könnte. Für unsere Kinder und Kindeskinder gilt dies in noch viel größerem Maße. Unsere Demokratie hat sich als gut und belastbar erwiesen. Sie ist kostbar und gleichzeitig zerbrechlich. Wir dürfen uns keinesfalls in der Sicherheit wiegen, dass ihr und damit uns allen keine Gefahren drohen“, so die CSU-Stadträtin weiter.
„Friedvolles und tolerantes Miteinander“
Wie zerbrechlich der Frieden sei, werde augenscheinlich, wenn man die Geschehnisse in der ganzen Welt betrachte. „In einigen Ländern gibt es Kriege und politische Verfolgung und auch bei uns in Deutschland müssen wir in jüngster Zeit immer mehr erleben, dass wir vor politischer Gewalt nicht gefeit sind“, erklärte Heike Kainz. „Wir sind aufgerufen ein friedvolles und tolerantes Miteinander zu schützen und zu bewahren. Wir wollen und müssen die Erinnerung wachhalten, damit sichtbar und spürbar wird, welch riesengroßes Unglück in der damaligen Zeit über die Menschen hereingebrochen ist. Vor allem anderen muss es uns ein Herzensanliegen sein, wirklich alles dafür zu tun, dass solch unermessliches Leid niemals wieder geschieht.“
„Wachsam sein“
Das sieht auch Ingrid Haussmann, die die Gedenkveranstaltung federführend zusammen mit Anna Attenberger, Christiane Schenk und Fritz Schneller organisiert hat, so: „Die Erinnerung an die Ereignisse der Reichspogromnacht ist wichtiger denn je. Wir müssen daran erinnern, was passiert ist und auch daran, dass so etwas nie wieder passieren darf. Wir möchten durch solch eine Veranstaltung nicht nur den Verfolgten und Getöteten gedenken, sondern auch die Lebenden ermahnen, wachsam zu sein.“ Antisemitische und rassistische Äußerungen seien der erste Schritt zur Ausgrenzung, betonte die Vorsitzende des Unterausschusses Kultur im BA 23. Besonders wichtig sei zudem, dass so viele Schüler des Louise-Schroeder-Gymnasiums an der Namenslesung mitgewirkt haben. Denn so werde das Thema anschaulich in die junge Generation transportiert und zugleich nach außen deutlich sichtbar, dass das Gedenken an den 9. November 1938, bei dem es immer auch um die eigene Haltung in der Gegenwart und in der Zukunft gehe, ein Thema der gesamten Bevölkerung sei.
„Nie mehr wieder“
„Ich bin sehr stolz, dass sich auch mein 13-jähriger Sohn Leonhard an der Namenslesung beteiligt. Er macht das nicht, weil ich es gesagt habe, sondern rein aus Eigeninitiative. Das finde ich sehr wichtig“, betonte auch der CSU-Landtagsabgeordnete und ehemalige Bürgermeister der Landeshauptstadt München, Josef Schmid. „Als Bürgermeister hatte ich die Möglichkeit, viele solcher Veranstaltung gestalten zu dürfen, an denen noch Zeitzeugen teilgenommen haben. Sie sterben aber leider aus. Das Gespräch mit Zeitzeugen ist durch nichts zu ersetzen.“ Deshalb sei es umso bedeutender, in Gedenkveranstaltungen an das Geschehe zu erinnern und den Opfern zu gedenken. „Es ist wichtig, das Ganze kollektiv im Bewusstsein zu halten“, so Josef Schmid. Und Christiane Schenk ergänzte: „Es liegt gemeinsam an uns, dass sich solche Szenen nie wieder abspielen und dass es ein ‚nie mehr wieder‘ bei uns gibt“, sagte die Beauftragte gegen Rechtsextremismus des BA 23.
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