Eine kulturelle Oase an der Untermenzinger Hitlstraße
Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet
Am 23.06.2017 wurde der neue Kultur- und Spielpfad, die „Neue Mitte“ Untermenzings, offiziell eröffnet. Musiker des Trachtenvereins Alpenrösl Allach sorgten für den musikalischen Rahmen, Kinder der Grundschulen an der Pfarrer-Grimm- und Manzoschule spielten sofort mit großer Begeisterung auf dem neuen Bodenschach und für den Pfad Verantwortliche freuten sich mit vielen Besuchern über die gelungene Einrichtung (Bilder 1-3)..
Unsere „Neue Mitte“ ist hauptsächlich an der Hitlstraße gelegen, wird im Norden von der Manzostraße und im Süden von der Allacher Straße begrenzt. Ein kleinerer Teil mit dem Künstler-Schaukasten liegt noch südlich der Allacher Straße an der Zaunerstraße. Auf unseren Kultur- und Spielpfad laufen von Westen her die Herbert-Schober-Straße und die Josef-Führer-Straße zu, vom Osten her der Freybergweg und der Löherweg. Bei diesem Vorhaben sollen hier nur kurz diese Straßennamen erklärt werden:
Franz Paul Zauner (1876-1942), Kunsthistoriker in München
Manzo, nach dem vermutlichen Gründer von Menzing, bis 1938 noch Weiderweg
Allacher Straße, von Moosach nach Untermenzing, früher Moosacher Weg
Herbert Schober (1905-1975), Professor, Gründer des Instituts für medizinische Optik an der Universität München
Josef Führer (1858-1903), Gymnasialprofessor und Archäologe in München und Bamberg
Maximilian Prokop Freiherr von Freyberg -Eisenberg (1789-1851), Archivar und Geschichtsschreiber
Franz von Löher (1818-1892), Politiker und Archivdirektor von König Max II.
Zur Orientierung dient also hauptsächlich die Hitlstraße, die ich mir deshalb unter den genannten Straßen zur weiteren Erklärung vorgenommen habe. Sie hieß früher Kreuzstraße und ist erst seit 1958 nach Georg Hitl (1863-1923) benannt, was auch älteren Mitbürgern nicht bekannt ist.
Dazu müssen wir kurz auf das Ende des 18. Jahrhunderts gegründete Carl-Poellath Münz- und Prägewerk in Schrobenhausen zurückgehen, eine Anstalt zur Herstellung von Münzen, Medaillen, Plaketten und Abzeichen. Carl-Poellath (1777-1834, Bild 4) konstruierte Maschinen, die durch ein Prägeverfahren die Fertigung von Schnallen und Schließen aus Messing ermöglichten.
Nach dem Tode seiner Ehefrau Ursula heiratete Carl Poellath nochmals, er starb aber kurz darauf. Seine Witwe Josepha heiratete 1834 einen Josef Hitl, dem Josef Hitl jun. (1836-1901) als Betriebsinhaber nachfolgte und die Produktionspalette durch Devotionalien und ein Spezialversandgeschäft erweiterte.
Sein Sohn Georg Hitl (Bild 5) wurde 1863 in Schrobenhausen geboren, das damals 2000 Einwohner hatte, die sich vor allem von Ackerbau, Landwirtschaft, Handel und Gewerbe ernährten. Der dortige angesehene Papierfabrikant Georg Leinfelder wurde sein Taufpate, deshalb der Vorname Georg. Nach der Volksschule in Schrobenhausen besuchte er vier Jahre das Benediktinergymnasium in Scheyern und machte sein Abitur 1883 bei den Benediktinern in St. Stefan in Augsburg.
Der Besuch der Kunstgewerbeschule in Frankfurt/Main in den Jahren 1883/84 vermittelte erste Anregungen. Anschließend lernte Hitl unter den Anleitungen seines Vaters im elterlichen Betrieb in Schrobenhausen das Prägen an der Presse kennen. Diesen praktischen Erfahrungen folgte ein Studium der Neuphilologie in München und Erlangen. Nach Paris zog es ihn zur Zeit der Weltausstellung von 1889/90 und der Erbauung des Eiffelturms. Ein Jahr lang verdiente er sich als Angestellter am deutschen Konsulat das Geld für seine Sprachstudien in Englisch, den romanischen Sprachen, Russisch und Arabisch. Noch 1890 absolvierte er in München sein neuphilologisches Examen. Seine Sprachgewandtheit kam ihm später bei vielen Afrika- und Orientreisen sowie beim Anknüpfen weltweiter Geschäftsverbindungen zugute.
1892 übernahm Georg Hitl den elterlichen Betrieb (Bild 6), den er mit Eigeninitiative, angemessenen finanziellen Wagemut und sicherem künstlerischen Gespür von einer veralteten Werkstätte in den Jahren 1885 bis 1902 durchgreifend umwandelte, indem er vom Handbetrieb auf Kraftbetrieb umstellte. Zugleich erweiterte er die bisherige Prägeanstalt um den Geschäftszweig „Medaillen und Vereinsabzeichen aller Art“. Sein Wahlspruch „Schaffe das Beste! Produziere Qualitätsware“ trug zum erstrebten wirtschaftlichen Erfolg bei.
Am 11. September 1893 hatte sich Georg Hitl mit Mathilde Leinfelder (1871-1966), der Tochter seines Taufpaten und spätere Schrobenhausener Ehrenbürgerin, verlobt, im Juni 1894 heirateten sie.
In Hitls Prägeanstalt entstand von 1903 bis 1907 eine Serie von 62 Künstlermedaillen (Bild 7), die Hitl als geschlossene Sammlung „Medaillen zeitgenössischer Künstler“ herausgab. Die Entwürfe dazu stammten von 13 namhaften und hervorragenden deutschen Künstlern. Mit seiner Medaillenprägekunst festigte Hitl den unanfechtbar guten Ruf seiner Anstalt.
Die Bayerische Jubiläumsausstellung in Nürnberg 1906 würdigte sein Werk mit zwei Goldmedaillen „für hervorragende Leistungen in der Herstellung von Plaketten, Medaillen und Münzen sowie für sehr schön ausgeführte Prägungen und die Erzielung guter Farbeneffekte“ und für hervorragende Verdienste um die Wiederbelebung der Medaillen-Kunst“. Im selben Jahr wurde ihm auch in Dresden die Sächsische Staatsmedaille „für die technische Ausführung geprägter Medaillen“ verliehen. Sogar die Bayerische Akademie der Wissenschaften in München pries in ihrer Festsitzung die Bestrebungen von Hofrat Georg Hitl als „ungewöhnlich systematische“ Förderung der Medaillenkunst.
Mit der Geschäftsübergabe an Georg Greiner (1868-1916) zog sich Georg Hitl am 1. Juli 1907 aus der Firma zurück. Hitls Wunsch nach einer Weiterführung in seinem Geiste wurde durch Greiner voll erfüllt. Der Privatmann Hitl widmete sich nun wieder seinen sprachwissenschaftlichen Neigungen, indem er als erst 46-Jähriger mit größtem Interesse und Vergnügen Vorlesungen an der Münchner Universität hörte.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden, wie wir nun wissen, die Aktivitäten Georg Hitls zur Wiederbelebung der seit der Renaissance fast vergessenen Medaillenkunst in Bayern mit dem Titel Königlicher Hofrat belohnt. Natürlich gibt es deshalb auch in Schrobenhausen (Bild 8) eine Georg-Hitl-Straße. 1906 wurde in der dortigen Poellath-Firma, deren Inhaber Georg Hitl war, neben dem Prägen von Medaillen auch die Herstellung von Gedenkmünzen und aller Art von Vereinsabzeichen eingeführt. Zum Silbernen Hochzeitsjubiläum der Hitls wurde eine Bronzemedaille ohne Jahreszahl geprägt.
Am 07. Februar 1923 verstirbt der Hofrat Georg Hitl und wird in Schrobenhausen begraben. Wie es in einem Nachruf heißt, genoss er im In- und Ausland großes Ansehen.
Dem freundlichen Entgegenkommen des Leiters des Stadtarchivs Schrobenhausen, Max Direktor, und seiner Mitarbeiterinnen verdanke ich die großzügige Überlassung von Broschüren und Bildern, die meinen Vortrag bei der Eröffnung unseres Kultur- und Spielpfades und diesen künftigen Artikel im Münchner Wochenanzeiger ermöglicht haben.
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