Ein Kreativhaus im Wandel der Jahrzehnte
Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet
Dieser Briefkopf aus dem Jahr 1950 (Bild 1) ist aus mehreren Gründen sehr interessant.
Es handelt sich hier um das Haus in der jetzigen Krautheimstr. 5a, das vorher die Nummern der Angerlohstraße und der Maximilianstraße hatte.
In diesem Brief ist auch die Rede davon, dass der westliche Nachbar, der Stadtschulrat a.D. Josef Bauer, die Verfügungsgewalt über das Grundstück 1945 verloren habe, weil dasselbe ehemaliger jüdischer Besitz war. Bauer war ein Nationalsozialist der ersten Stunde, wozu später noch einiges zu sagen ist.
Wir erfahren hier auch vieles über die frühe Bebauung des Grundstücks mit zwei Gartenhäuschen und deren damaligen Eigentümer. Da dazu auch Baupläne vorliegen, ist die Geschichte des Hauses ein lokalgeschichtlich interessantes Siedlungsbeispiel, das ich bis in alle Einzelheiten der Überlassung des Familienarchivs der jetzigen Besitzerin, der Tochter von Walter Schröder, verdanke.
Die Maximilianstraße (Bild 2) war eine alte Untermenzinger Straße, die sich nach dieser Karte von 1936 von der Kreuzung der Manzo-, Moosacher- (heute Allacher-) und Angerlohstraße über die alte Müller- (heute Von-Kahr-) bis zur alten Mozartstraße (heute Haldenbergerstraße) erstreckte.
Sie wurde, nach Auskunft des Kommunalreferats München, zum 22.04.1947 in die Angerlohstraße eingegliedert, und diese begann dort, wo die Maximilianstraße früher endete. So ist zu erklären, dass im obigen Anschreiben von 1950 „Angerlohstr. 31“ zu lesen ist und dass auch z.B. die Firma Gässl damals Angerlohstr. 77 (heute 15) hatte. Entsprechendes galt dann für die geraden Hausnummern der Ostseite.
Dass der westliche Nachbar Josef Bauer, der Münchner Stadtschulrat der Jahre 1933-1945, nicht stimmberechtigt war, läßt die Vermutung aufkommen, dass er sich mit diesem jüdischen Besitz bereichert hatte. Als er im Juni 1933 fast einstimmig zum Münchner Stadtschulrat gewählt wurde, sagte er im Sprachduktus seiner Zeit: „Wir müssen uns alle bewußt sein, dass heute auch die Schule ein wichtiges Instrument der nationalsozialistischen Politik und damit der politischen Erziehung des ganzen Volkes ist.“ J. Bauer (1881-1958, Bild 3) war Sohn eines Dorfschmiedes, wurde zum Lehrer ausgebildet, nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg und 1923 am Hitlerputsch teil, war Reichstagsredner der NSDAP und als ernannter Brigadeführer Mitglied der SS, aber nicht als besonders unangenehmer Antisemit bekannt. Wie er zu dem Haus eines jüdischen Mitbürgers in der Krautheimstr. 7 kam, ist bisher nicht bekannt und wird noch zu klären sein. Die Spruchkammer meinte es aber gut mit ihm und ließ ihn laufen.
Nun aber zum Beamtenhaus in der Krautheimstr. 5a, vorher Angerlohstr. 31, im Jahre 1919 Maximilianstraße 28. Bild 4 zeigt den genehmigten Bauplan einer Blockhütte, eingereicht vom Vater einer Frau Keimel, die später mit dem damals bekannten Münchner Kunstmaler und Mitglied der „Neuen Vereinigung Münchener Plakatkünstler“ Hermann Keimel (1899-1948) verheiratet war. Die verwitwete Maria Keimel beantragte 1949 die Genehmigung des Baues eines Gartenhauses auf dessen Grundmauern. Noch im Juni 1949 aber verpflichtete sich Frau Keimel notariell, an Herrn Walter Schröder und seine Frau zu verkaufen. Herr Schröder (1920-2001) wurde über die städtische Beamtenlaufbahn bei den Münchner E-Werken Oberverwaltungsrat. In dem eingangs gezeigten Anschreiben schreibt er von den Bauplänen für das Gartenhäuschen in der Angerlohstr. 31, der Nichtzuständigkeit seines westlichen Nachbarn J. Bauer und betont, dass „es sich um keine Bauvorhaben handelt, sondern um den Umbau des betreffenden Häuschens, das 1919 von dem damaligen Eigentümer Herrn Keimel gebaut und als Atelier genutzt wurde. Das nebenstehende Bild 5 zeigt die Entwicklung des Anwesens vom kleinen Häuschen zum Doppelspänner, den wir bis heute ähnlich bei den Hausnummern 7 und 9 finden. Zum Ausbau einer Wohnung im Anwesen Angerlohstr. 31, damals noch im Eigentum von Frau Maria Keimel, wurde Herrn Schröder im Juli 1950 ein städtisches Darlehen bewilligt. Schon im Juli 1954 konnte Walter Schröder, der inzwischen Städt. Kasseninspektor geworden war, berichten, dass er das von ihm bewohnte Häuschen in Untermenzing, nun schon Krautheimstr. 5, umgebaut und vergrößert habe und um ein Baudarlehen von 3000,-- DM bitte.
Beim An- und Umbau waren viele, auch heute nicht mehr bestehende Handwerksbetriebe beschäftigt: Die Glaserei Karl Auer in der Eversbuschstr. 57, die Spenglerei Alois Gässl in der Angerlohstr. 77, das Malergeschäft Hans Höhning in der Angerlohstr. 30, das Elektrogeschäft Georg Kienzl in der Von-Kahr-Str. 24, das Baugeschäft Josef Schmid in der Karl-von-Roth-Str. 3 und die Kunst- und Bauschlosserei A. Wernthaler in der Hartmannshofer Str. 4.
Im September des Jahres erhielt er jedoch eine Baueinstellungsverfügung. Im Januar 1955 unterschrieben vor dem Notar Frau Maria Keimel und Walter und Christine Schröder den Kaufvertrag über den Grundbesitz in der Krautheimstr. 5. Im Mai 1957 wurde der beantragte Um- und Anbau von der LBK München endgültig genehmigt.
Im April 1962 geht es darum, zusammen mit der Schwägerin, Frau Silzl, auf dem Schrödergrundstück ein Einfamilienhaus zu errichten. Den vorliegenden Bauplan (Bild 6) fertigte der bekannte Untermenzinger Architekt Fritz Bergmaier aus der Krautheimstr. 44 an.
Mit Herrn Hardy Rüffer und seinen 4 m hohen Lichtobjekten (Bild 7) ist die frühere Kreativität in die Krautheimstr. 5a wieder zurückgekehrt. Eines dieser Objekte ist auch von der Straße aus zu sehen.
Anders die Krautheimstr. 7-9: Das Doppelgebäude wird vermutlich der als notwendig erachteten Verdichtung zum Opfer fallen und dann statt zwei Familien, vielleicht 30 Familien Wohnung bieten.
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