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Die Würm, die Römerstraße, die Eversbuschstraße, die Eisenbahnlinie

Stadtteilhistoriker Walter G. Demmel berichtet über vier Parallelen im Stadtbezirk

Bild 1 (Bild: Stadtarchiv München)

Wie aus der Reihenfolge ersichtlich, sind meine vier Parallelen nach ihrer Entstehung geordnet. Ich will zeigen, dass Allach und Untermenzing während ihrer Entwicklung immer stärker geteilt wurden. Der Ausgangspunkt ist der vermutlich seit Urzeiten vorhandene und sich ständig ändernde Fluss Würm. Es folgte um die Jahrtausendwende die Römerstraße, die zunächst schnell durch noch unbesiedeltes Gebiet führen sollte. Dann folgte ein Weg östlich entlang der Würm, der zunächst einige Gehöfte und später die Dörfer Obermenzing, Untermenzing und Allach verbinden, aber später der Länge nach auch teilen sollte. Zuletzt kam die Eisenbahn hinzu, die für unseren Stadtbezirk eine nicht nur sichtbare, sondern auch hörbare Teilung bedeutete.

Die Würm

Das idyllische Bild 1 zeigt die Würm 1797 mit Steg in Allach. Aber auch heute noch zieht die Würm mit Bäumen und Büschen wie ein grünes Band vom Süden nach Norden durch Untermenzing und Allach. In einer frühen Urkunde von 772 wird die Würm erstmals als Uuirma genannt. Die heutige Bezeichnung entwickelte sich aus Wirmine und nähert sich über Wirm zur Würm. Sie ist ein ca. 40 km langer Fluß im westlichen Oberbayern, entspringt als Ablauf dem Starnberger See, den man bis 1967 Würmsee nannte, durchzieht als Grünzug und Flußlandschaft den Münchner Westen mit Allach-Untermenzing und mündet bei Ampermoching in die Amper. Die Würm war lange ein ungezähmter Wildfluß, der sich nach den natürlichen Gegebenheiten auf über 60 m ausbreitete, in viele Arme aufteilte und meistens im Frühjahr weit über die Ufer trat. Allach und Untermenzing sind zwei Straßendörfer entlang der Würm. Rudolph schreibt dazu: „Sich hier anzusiedeln hatte guten Grund. Für Bauern, Söldner und Handwerker bildete der Fluss eine wichtige Lebensgrundlage, und sie nutzten ihn auf vielfältige Weise. Er diente als Viehtränke, als Waschplatz und Wasserspender für Stall und Garten. Das Wasser zum Trinken und Kochen holte man aus Hausbrunnen, die von dem in geringer Tiefe anstehenden Grundwasser gespeist wurden. Auch wegen seiner Fische kam dem Fluss große Bedeutung zu. Heute ist es kaum vorstellbar, dass die Würm einst sehr fischreich war.“ Die Würm vernetzt zudem die Grünräume des Würmtals, in unserem Bereich also des Allacher Forstes, und der Angerlohe. Man kann der Würm entlang Rad fahren und findet zum Ausrasten die Inselmühle, den Würmtalhof und die Schießstätte, aber auch ein Naturparadies, das nicht weit ab vom lauten Verkehr der Eversbuschstraße liegt und beste Naturkunde bietet.

Die Römerstraße

Wenn die Römer Straßen bauten, dann immer etwas erhöht auf einem Damm und wegen Gefahr einer Überschwemmung in sicherer Entfernung von einem Fluß. Weitgehend westlich der Würm bauten die Römer eine Straße im heutigen Verlauf der Stieglstraße und Servetstraße, welche die nördlich und südlich verlaufenden Römerstraßen zwischen Karlsfeld und Gauting verband. Für deren Existenz gibt es in einem Straßenverzeichnis des römischen Kaisers Caracalla (188-217 n. Ch.), auf das sich Hans Bauer, mein Historikerkollege und ausgewiesener Fachmann für Römerstraßen beruft, einen schriftlichen Beweis (Bild 2). Man könnte diese Römerstraße auch als ausschlaggebend für die Besiedlung des Würmtals sehen.

In den 50er Jahren hat man den heute unter der Stieglstraße verlaufenden Weg auch deshalb als römerzeitliche Straße angesehen, weil er auf der ältesten Bayernkarte von 1812 als Hochweg bezeichnet wurde. Dieser Hochweg verlief allerdings nicht wie bei den meisten Römerstraßen geradlinig, sondern in einigen untypischen Bögen. Die Römerstraße bestand also sicher 500 Jahre vor der ersten Erwähnung Allachs (774) und Menzings (817) und war für die Römer die kürzeste Verbindung zwischen dem jetzigen Dachau und Kempten.

Die Eversbuschstraße

Die heutige Eversbuschstraße, benannt nach dem Direktor der Münchner Augenklinik, Dr. Oskar Eversbusch, war ursprünglich eine Dorfstraße der Straßendörfer Allach und Untermenzing östlich der Würm und sie hieß auch so. Später nannte man sie Hauptstraße. Im sog. Dritten Reich wurde sie in Untermenzing schnell zur Adolf-Hitler-Straße und in Allach zur Horst-Wessel-Straße. Bei einem aufmerksamen Gang durch die Eversbuschstraße sieht man heute noch deutlich, dass Allach im Gegensatz zu Untermenzing aus zwei Ortsteilen besteht, das für die Bewohner des zweiten den Namen „St. Johannser“ bereithält. Die dazugehörige St. Johann-Kapelle stand bis Ende 1801 nahe der Abzweigung der Waltenbergerstraße. Das dazugehörige Mesnerhaus ist mit der Haus-Nr. 118 noch zu sehen. Wer sich weiter für die alten Gebäude an der Eversbuschstraße interessiert, schlage dazu das „Historische Häuserverzeichnis“ im Stadtteilbuch von Ernst Rudolph S.163-187 auf, um dort die bäuerlichen Güter in Allach und Untermenzing entlang der Eversbuschstraße beschrieben zu finden (Bild 3).

Die Eisenbahnlinie

Die Eisenbahnlinie München-Ingolstadt wurde 1867 gebaut und zum November des Jahres feierlich eröffnet. Damit hatten die bis 1938 selbständigen Dörfer Allach und Untermenzing noch nicht die anfangs besprochene einschneidende Längstrennung erfahren, die Eisenbahn führte dort allerdings zu nachhaltigen Veränderungen durch die Ansiedlung von Gewerbebetrieben und Industrie und zu starker Bautätigkeit, die auch die Bevölkerungszahl erheblich ansteigen ließ. Nicht zu vergessen ist der Ausflugsverkehr aus der Stadt München, der nach der Jahrhundertwende in Untermenzing die „Grüne Eiche“ (1903) und in Allach die „Bahnhofgaststätte“ (1872) östlich und die „Schießstätte“ (1903) westlich der Würm betraf. Nicht in Untermenzing, wo auch die Inselmühle ein Freibad zu bieten hatte, sondern in Karlsfeld wurde 1896 auch wegen des Freibades im Norden der Gemeinde Allach ein neuer Haltepunkt eröffnet, 1905 kam auch ein Haltepunkt in Obermenzing hinzu. Ganz deutlich zu erkennen ist auf dem Bild, dass die Bahnstrecke und die Station Allach noch weit von den beiden Straßendörfern Allach und Untermenzing entfernt sind. Bis Mitte der 1870er waren alle, hier mit roten Kreisen gekennzeichnet (Bild 4), Bahnwärterposten eingerichtet, die der jeweilige Bahnwärter mit seiner Familie bewohnte.

Das abschließende Bild aus unseren Tagen (Bild 5) zeigt die Teilung unseres Stadtteils durch den schnurgeraden Verlauf des eisernen Schienenwegs, der an keiner Stelle überführt und nur an wenigen Stellen – gut erkennbar die Von-Kahr-Straße im Vordergrund – unterführt ist. Zu sehen ist auch der wie ein grünes Band gewundene Würmgrünzug, den man hier leider kaum erkennen kann, und die kurvige und heute vielbefahrene Eversbuschstraße.

 

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