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Die frühere Adolf-Wagner-Schule

Stadtteilhistoriker Walter G. Demmel berichtet

Ernst Rudolph hatte 1997 in der Erstausgabe seiner Stadtteilgeschichte unter dem Titel „300 Jahre Allacher Schulgeschichte“ (S. 134-138) und „Schulen in Untermenzing“ (S. 139-142) alle relevanten Fakten zu unserem Schulwesen beschrieben. In der neuen Ausgabe erscheinen auch zu seinem Bedauern die Schulen nur in einem achtzeiligen Überblick (S. 10). In beiden Ausgaben kommt jedoch aus meiner Sicht die frühere Adolf-Wagner-Schule zu kurz, ausführlicher beschäftigt sich damit der KulturGeschichtsPfad von Allach-Untermenzing (S. 50/51).

Adolf Wagner (1890-1944) war zwar NSDAP-Gauleiter von München, bayerischer Minister, SA-Obergruppenführer und ein besonders bösartiger Antisemit, aber ich sehe keinen Anlass, dass die heutige Mittelschule an der Franz-Nißl-Straße (Bild 1), die bis 1945 seinen Namen tragen „durfte“, im Jahr 2012 ihr 75-jähriges Bestehen öffentlich nicht hätte feiern dürfen. Dass sie im sogenannten Dritten Reich erbaut und nach Wagner benannt wurde, sollte eigentlich kein Makel sein.

Architekt Sep Ruf

Die noch heute recht ansehnliche Schule in der Franz-Nißl-Straße ist ein Werk eines jungen Architekten, der 1931 sein Studium an der Technischen Hochschule München abgeschlossen hatte und sich nun voller Elan in neue Aufgaben, wie z.B. den Bau einer neuen Schule in Allach bei München, stürzte. Man kann sich nur wundern, dass Sep Ruf (1908-1982) (Bild 2), einer der bekanntesten Architekten der Nachkriegszeit in Deutschland, so selten mit seinen Bauten als junger Architekt in Allach in Verbindung gebracht wird. Über sein Wirken in der NS-Zeit ist bestenfalls zu lesen: “Aufgrund der neuen politischen Rahmenbedingungen und dem resultierenden Verbot von Flachdächern nach 1933 werden große, steile Dächer charakteristisch für Rufs Einfamilienhäuser. Durch knappe, kubische Baukörper mit flächenbündigen und optisch gebänderten Fenstern sowie traufenlos ausgebildeten Dächern vermeidet er aber vordergründig bodenständig-heimattümelnde Motive. Damit wahrt Ruf eine merkliche Distanz zu politisch opportunen Bauformen der Wohnhausarchitektur im Nationalsozialismus.“ War diese Distanz aber auch in seinen Schulbauten erkennbar? Allach war seit 1933, besonders aber seit der Eingemeindung im Dezember 1938, für die Nationalsozialisten ein wichtiger Industriestandort geworden. Dies galt nicht nur für das Rüstungsunternehmen wie Krauss-Maffei u.a., sondern auch für die der nationalsozialistischen Kunst verpflichtete Porzellan-Manufaktur, die von mir bereits mehrmals unseren Bürgern in Erinnerung gebracht wurde. Die in den vergangenen Jahren rasch gewachsene Bevölkerung erforderte die Errichtung einer weiteren Volksschule im Ort.

Sep Ruf gewann den ausgeschriebenen Wettbewerb und erhielt den Auftrag zum Bau der Anlage mit sieben Luftschutzkellern. Wie sehr sich der Architekt um die einheitliche und geschlossene Wirkung der Baugruppe kümmerte, geht aus einem Schreiben hervor, das er im November 1936 an den Allacher Bürgermeister Bäumer richtete: „ Die Verbindung der Turnhalle mit dem jetzigen Wohnhaus ist niemals dadurch befriedigend zu lösen, dass man beide Baugruppen einfach nur durch Mauern verbindet, die mit beliebigen Fensteröffnungen versehen sind. Es ist, wie sich leicht vorstellen läßt, gerade diese Verbindung eine Angelegenheit, die wohl überdacht sein will, wenn nicht die Wirkung des Turnhallenbaues eine starke Einbuße erleiden soll.“

Lang gestreckte Giebelbauten

Wie man aus den Bildern 3 und 4 ersieht, handelte es sich um zwei zweigeschoßige, lang gestreckte Giebelbauten mit Klassentrakt und Turnhalle, beide versetzt angeordnet mit einem verbindendem Querbau und, wie verschiedene Fachleute schreiben, „an das im Nationalsozialismus übliche Formenrepertoire angepasst“. Damit ist die oben gestellte Frage hinreichend beantwortet.

Man erkennt, dass der Haupteingang wegen des Verbindungsbaues leicht aus der Mitte gerückt ist, er führte in eine Halle mit einer einläufigen Treppe und zu einer großen Gedenktafel mit einem Zitat des damaligen Gauleiters und Namengebers der Schule, Adolf Wagner. Im Artikel über das Allacher HJ-Heim wurde darauf hingewiesen, dass der Turnhallenbau 1937/38 durch ein BDM-Heim erweitert wurde. Den meisten Mitbürgern ist der südliche Bauteil als die staatliche Hauptschule, ab Schuljahr 2011/2012 als Mittelschule an der Franz-Nißl-Straße bekannt, die Gedenktafel wurde natürlich längst entfernt.

Das Schulhaus enthielt damals neun Schulsäle, im Erdgeschoß drei und im Obergeschoß sechs, im Parterre befand und befindet sich außerdem ein geräumiges Schulleiterzimmer und eine Hausmeisterwohnung, im Obergeschoß ein großes Konferenzzimmer. Im Kellerraum war neben den Luftschutzräumen ein modernes Brausebad eingebaut und für die 8. Klasse ein Werkraum und eine Schulküche. Die damalige Baubeschreibung führt eine mit versenkbaren Geräten ausgestattete Turnhalle an mit einer Decke aus Fichtenholz, Parkettboden und heller Buchenholzbestuhlung für ca. 420 Personen. Die Halle war auch für kulturelle Veranstaltungen vorgesehen und hatte daher auch einen großen Bühnenraum.

Eröffnung im Oktober 1937

„Ein strahlend schöner Oktobertag (Bild 5) war der Einweihung der Adolf-Wagner-Schule in Allach beschieden … Auf dem Festplatz am Schulhaus hatten mit zahlreichen Volksgenossen die Ehrenformationen der NSDAP und der angeschlossenen Gliederungen Aufstellung genommen“, schrieb die „Münchener Zeitung“ vom 03.10.1937 (März 1942 eingestellt) und führte neben Ruf noch die am Bau mitbeteiligten von Zündt und Koch an. In ähnlicher Weise und Ausführlichkeit berichtete der „Würmtalbote“ vom 02.10.1937 und schloß mit dem Satz: „Der Sonntag wird für Allach und seine Bevölkerung ein denkwürdiger Festtag werden, der wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird.“ Der „Völkische Beobachter“ (NS-Parteiblatt) hatte schon am 29.09.1937 die Allacher Bevölkerung zum „reichen Flaggenschmuck für das festliche Ereignis“ aufgerufen.

Im direkten Anschluß an die Turnhalle entstanden 1937/38 durch die Verlängerung des Baukörpers ein BDM-Heim im Obergeschoß und der NSV-Kindergarten mit der Wohnung der NSV-Schwestern (NSV=Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) im Erdgeschoss. Wie aus Bild 4 zu ersehen ist, zeigt die Fassade zum Schulhof eine charakteristische zweigeschossige Loggia.

Hochlandheim der HJ

Nach der Eingemeindung Allachs kam 1938/39 zum BDM-Heim das „Hochlandheim“ der HJ. Die Anlage gruppierte sich um einen großen Aufmarschplatz in unmittelbarer Nähe zur damaligen Adolf-Wagner-Schule. Es war das größte im „Heimatstil“ errichtete HJ-Heim in der Umgebung Münchens und wurde damals einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt. Es hatte zehn Jungscharräume, vier Werkräume, einen Feierraum und eine Hausmeisterwohnung und war für 250 männliche und 320 weibliche Jugendliche geplant. Nach notwendigen Veränderungen wird der Bau heute von der Mittelschule genutzt. 1939/40 war der Baubeginn des von Ruf entworfenen, nun städtischen Verwaltungsgebäudes in der damaligen Horst-Wessel-Str. 134, das aber erst 1950 fertig gestellt werden konnte.

Zur Erinnerung: Sep Ruf hatte 1936 an dem Wettbewerb um den Volksschulbau im Allacher Neubaugebiet teilgenommen und den ersten Preis gewonnen. Über den damals von ihm angefertigten Bebauungsvorschlag (Bild 6) wurde er zur Planung der bisher beschriebenen Bauten in diesem Areal beauftragt. Dieser Plan war bis heute unveröffentlicht.

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