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"Das Potential ist riesig!"

„Mädchen an den Ball“ ist ein Erfolgsprojekt - ganz gegen den Trend

Keine Vereinsbindung und kein Leistungsdruck: Bei “Mädchen an den Ball” steht allein der Spaß am Fußball im Vordergrund. (Bild: Biku e.V.)

In England läuft die Frauenfußball-Europameisterschaft. Doch wie ist es um die Sportart in Deutschland bestellt? Anna Seliger, Initiatorin und Projektleiterin von „Mädchen an den Ball“ spricht von einem "absoluten Niedergang des Mädchenfußballs" und verweist auf Zahlen der Sportschau: Demnach habe der Deutsche Fußball-Bund von 2010 bis 2020 die Hälfte seiner Mädchenmannschaften verloren (2010 nahmen noch 8.665 Teams - Juniorinnen bis 16 Jahre - am Spielbetrieb teil, in der Saison 21/22 meldeten die Vereine nur noch 3.987 Mädchenmannschaften an). "Das ist eine Katastrophe", sagt Seliger. So weit will Frank Ludewig, der Münchner Kreisvorvorsitzende des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV), nicht gehen. Die Statistik sei nicht verifiziert, schränkt er ein. Dennoch sieht er die grundsätzliche Problematik: "Die Tendenz geht nach unten, man muss gegensteuern!"

"Mädchen sichtbar machen"

„Der Mädchen- und Frauenfußball hat in Deutschland noch viel Luft nach oben. Es gibt insgesamt zu wenige Angebote für Mädchen, die Fußball spielen wollen“, beschreibt Anna Seliger die Situation „München ist eine große Stadt und eine Fußballstadt noch dazu. Doch immer, wenn ich durch die Stadt gehe, sehe ich zu wenige Mädchen. Aus diesem Grund habe ich 2007 das Fußballkonzept 'Mädchen an den Ball' entwickelt, um Mädchen im öffentlichen Raum sichtbarer zu machen.“ Vor drei Jahren wurde das Projekt neu aufgelegt und war sofort erfolgreich. „Wir sind von Anfang an überrannt worden. Damit zeigt sich, dass wir mit unserem Angebot den richtigen Weg eingeschlagen haben“, erklärt die Sozialpädagogin. Mittlerweile betreibt Anna Seliger gemeinsam mit ihrem Team in ganz München 15 Standorte, an denen wöchentlich mehr als 300 Mädchen betreut werden. „Im Monat spielen bei uns über 1.000 Mädchen Fußball. Das ist eine Zahl, die sich sehen lassen kann und die dem allgemeinen Trend im Frauen- und Mädchenfußball entgegenwirkt. Gerade im Bereich des Mädchenfußballs müssen neue Wege gegangen werden. Dann werden auch wieder mehr Mädchen Fußball spielen. Das lässt sich an unserem Projekt gut erkennen.“

Das sieht auch Frank Ludewig so: „Wir müssen gemeinsam der Tendenz entgegenwirken, dass die Zahl an fußballspielenden Mädchen auf Vereinsebene nach unten geht. Es ist doch bezeichnend, dass Projekte wie ‚Mädchen an den Ball‘ entgegen der allgemeinen Tendenz so erfolgreich sind“, betont der BFV-Kreisvorsitzende. „Es muss uns gemeinsam gelingen, wieder mehr Mädchen für diesen tollen Sport zu begeistern. Bei ‚Mädchen an den Ball‘ spielen jede Woche hunderte von Mädchen Fußball, die sonst wahrscheinlich gar nicht zum Fußball gekommen wären. Das Projekt ist keine Konkurrenz zu den Vereinen. Es geht vielmehr darum, Synergien zu nutzen. Das Potential ist riesig!“

Familienfreundliches und zeitgemäßes Konzept

Fußball nur für Mädchen: Das ist die Idee hinter dem Projekt „Mädchen an den Ball“, bei dem Mädchen im Alter von sechs bis 16 Jahren die Möglichkeit haben, einmal pro Woche an einem kostenlosen Fußballtraining teilzunehmen. „Der Erfolg unseres Projekts liegt sicherlich darin begründet, dass wir nicht leistungsorientiert arbeiten. Es gibt keine Vereinsgebühr und keinen Ligabetrieb. Die Mädchen können pünktlich sein, sie müssen aber nicht pünktlich sein“, erklärt Anna Seliger. Das Konzept von „Mädchen an den Ball“ sei damit familienfreundlich und zeitgemäß zugleich.

Über „Mädchen an den Ball“ in den Fußballverein

„Das Projekt zeigt, dass es gelingen kann, Mädchen für den Fußball zu begeistern“, sagt Frank Ludewig. „Die Teilnehmerinnen werden hier nicht nur von professionell ausgebildeten TrainerInnen angeleitet, sondern werden auch pädagogisch betreut. Das ist gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Die Mädchen können hier ohne große Hürden oder Hemmschwellen kicken und sich ganz ohne Druck beim Fußball ausprobieren. Perspektivisch soll es so sein, dass sie langfristig und nachhaltig diesem Sport treu bleiben und – im nächsten Schritt – in die Vereine kommen.“

Seiner Ansicht nach kann sich der Mädchen- und Frauenfußball auf Vereinsebene nur dann gut entwickeln, wenn von Seiten der Verbände der gleiche Aufwand und die gleiche Energie investiert wird, wie in den Jungen- und Männerfußball. „Als Verband und mit unseren Vereinen haben wir einen gesellschaftspolitischen Auftrag – unter anderem alle gleich zu behandeln“, betont Frank Ludewig. „Der Spielbetrieb im Vereinsfußball ist aber grundsätzlich sehr kompliziert und mit viel Aufwand verbunden. Wir müssen das Ganze entbürokratisieren – das gilt auch für den Ligabetrieb im Mädchenfußball.“

Spaß statt Verpflichtungen

Zu den zweistündigen Trainingseinheiten von „Mädchen an den Ball“, die stets von drei ausgebildeten FußballtrainerInnen geleitet werden, können interessierte Mädchen jederzeit dazu kommen und ohne Druck austesten, ob ihnen Fußball gefällt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, die Mädchen können innerhalb der zwei Trainingsstunden jederzeit dazukommen. Pünktlich erscheinen muss bei „Mädchen an den Ball“ niemand, allein der Spaß am Fußball steht im Vordergrund.

Und auch andere Verpflichtungen, wie etwa Vereinsbindung, Punktspiele, Turniere oder Leistungsdruck gibt es keine. „Die Einheiten selbst laufen ganz locker ab“, sagt Anna Seliger, die gemeinsam mit ihrem Team allein in diesem Jahr sieben neue „Mädchen an den Ball“-Standorte in der Landeshauptstadt eröffnet hat – und weitere werden folgen, nicht nur in München, sondern deutschlandweit. „Wir planen das Projekt in ganz Deutschland zu installieren und werden im Herbst in Nordrhein-Westfalen einen neuen Standort eröffnen“, verrät die Sozialpädagogin.

Das Konzept hinter ‚Mädchen an den Ball‘ ist ganz einfach: Fußball als Mannschaftssport soll neben der Gesundheit auch die Persönlichkeitsstruktur der Teilnehmerinnen fördern. Daneben stehen Teamfähigkeit, Integrationsbereitschaft, Empathie, Verantwortungsbewusstsein und sportliche Fähigkeiten im Vordergrund. „Es geht im Grunde darum, dass die Mädchen durch den Fußball ein neues, gestärktes Selbstbewusstsein sowie soziale, interkulturelle und auch kreative Kompetenzen entwickeln.“, betont die Projektleiterin.

Weitere Informationen zu den Standorten und zum Konzept von „Mädchen an den Ball“ können im Internet unter www.maedchen-an-den-ball.de abgerufen werden.

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