"Dahin sehen, wo Brücken zu bauen sind"
Jahresprogramm der Internationalen Jugendbibliothek
"Das ist ein Bereich, in dem Pionierarbeit geleistet werden muss", erklärt Christiane Raabe, Direktorin der Internationalen Jugendbibliothek (IJB). "In den Stadtbibliotheken gibt es einen großen Bedarf an arabischsprachigen Büchern, aber de facto existieren nur Übersetzungen deutscher Literatur ins Arabische." Die IJB hat in ihre Räume auf Schloss Blutenburg eingeladen, um das Jahresprogramm des Hauses vorzustellen. Thema sind unter anderem die Arabischen Kinder- und Jugendliteraturtage am 11. und 12. April. "Wir haben schon immer einen bestimmten Ansatz verfolgt, wenn es um die Wahl unserer Schwerpunkte ging", sagt Raabe. "Es geht darum, dahin zu sehen, wo Brücken zu bauen sind." Brücken in die arabischsprachige Welt – derer bedarf es bestimmt. "Einwanderung, Zuwanderung von Geflüchteten – der Bedarf an arabischsprachiger Literatur wächst, aber wir haben keinen Zugang zu Geschichten aus der Heimat der Menschen." Es gebe keine Klassiker, keine Mythen, keine Märchen. "Wir wissen schlicht nicht, mit welchen Erzählungen Kinder dort sozialisiert werden."
"Bereich, in dem Pionierarbeit geleistet werden muss"
Hier setzen die Jugendliteraturtage an. In einem Podiumsgespräch geht es um Geschichten aus Marokko, Syrien, dem Irak oder Libanon. Der syrische Orientalist und Kenner der arabischsprachigen Literatur, Azad Hamoto, spricht mit Autorin und Verlegerin Nadine Touma und Autor und lllustrator Walid Taher. Außerdem gibt es einen Abend zu Trends und Buchempfehlungen, zudem Lesungen für Schulklassen. Hamoto hat eine Liste mit Empfehlungen für 40 Bücher ausgearbeitet. Er hat über 100 Werke gelesen und die besten zusammengestellt. "Das ist ein Novum. Bisher konnte man nur sagen: Das Interesse ist enorm, aber wir können nichts empfehlen, denn keiner weiß, was in den Büchern steht", erläutert Raabe. Auf dem arabischen Buchmarkt gebe es keine Distributionswege, "da wird nach Lust und Laune gedruckt und ein Preis festgelegt". Erstmalig ermöglicht es Hamotos Liste, gezielt eine Auswahl an Veröffentlichungen zu bestellen – eine Freude für Stadtbibliotheken.
"Die großen, philosophischen Fragen"
Weiteres Highlight im Jahr der IJB ist das "White Ravens Festival". Bereits zum fünften Mal macht die Bibliothek mit. Autoren aus elf Ländern sind von 14. bis 19. Juli zu Gast auf der Blutenburg. "Das Festival ist bereits etabliert, wir erwarten wieder viele Schulklassen", freut sich Raabe. Viele Schriftsteller und Illustratoren mit autobiographischen Werken sind heuer dabei, es geht um Rassismus und Ressentiments. "Natürlich kommt dazu auch wieder reichlich erzählende Literatur." Das bayernweite "White Ravens Festival" wächst und wächst. "Das ist auch gut so, Kinder haben schließlich noch den Mut, die großen philosophischen Fragen zu stellen."
Zusätzlich zu den Schwerpunkten organisiert die IJB mehrere Ausstellungen: Zum einen die Jahresschau "Summende Staatenbauer und pikende Plagegeister" (die Münchner Wochenanzeiger berichteten), die noch bis Oktober läuft, außerdem von Juni an eine Hommage an Rotraut Susanne Berner zu deren 70. Geburtstag. Raabe: "Wir zeigen 120 Original-Katzenbilder der Künstlerin. Sie ist wohl die einzige Zeichnerin, die uns auch mit nur einem Motiv nicht einengt, ihre Phantasie kennt keine Grenzen." Von September an sind schließlich die Resultate des Workshops "Mehr Gewicht fürs Kindergedicht" zu sehen. "Wir haben Lyriker und Illustratoren in Arbeitsgruppen eine Gedichtanthologie ausarbeiten lassen", sagt Raabe. "Jetzt stellen wir die Ergebnisse des experimentellen Projekts vor." Im November schließlich startet bereits die nächste Jahresausstellung: "So leben sie noch heute – Europa illustriert die Grimms". Die Schau zeigt, wie Texte der Brüder Grimm in anderen europäischen Ländern mit jeweils eigenen bildnerischen Traditionen inszeniert und interpretiert werden.
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