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85 Jahre Schule an der Franz-Nißl-Straße

Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet

Bild 1 (Bild: Demmel)

Die Franz-Nißl-Straße in Allach (Bild 1), seit 1945 nach dem bekannten Münchner Psychiater und Neuropathologen Franz Nißl (1860-1919) benannt, hieß ursprünglich Widweg, ab 1933 Schlageterstraße und ab 1938 Adolf-Wagner-Straße. Erst 1942 wurde der schon mehrfach beschriebene und inzwischen denkmalgeschützte Hochbunker gebaut und sieht noch immer einer Nutzung entgegen.

Weil sich offenbar niemand an die braune Vergangenheit dieser Schule erinnern wollte, schrieb ich mit einiger Verspätung im Januar 2013 den Artikel „Die frühere Adolf-Wagner-Schule“ zum 75. Jahrestag. Adolf Wagner, Gauleiter und bayerischer Minister, war ein besonders bösartiger Antisemit. Aber weder die Straße noch die Schule noch der Architekt Sep Ruf konnten etwas dafür. Ich brachte den gedruckten Artikel zum Aushang in die Schule, und alle wunderten sich. Zum 85. Jahrestag bin ich dieses Mal rechtzeitig dran und hoffe, dass sich niemand in der Schule wundert, weil man inzwischen darauf vorbereitet ist und auch diese braune Vergangenheit zur Kenntnis nimmt.

Dass die Nazis bereits 1937 in Allach Fuß gefaßt hatten, ist vor allem aus der großartigen Eröffnungsfeier (Bilder 2 und 3) zu ersehen, die am 3. Oktober 1937 zelebriert wurde. Außer vielen Straßen, die nun geteert werden konnten, dem Allacher Bad und neuen Siedlungen wurde 1935/36 an der Adolf-Wagner-Straße, seit 1945 Franz-Nißl-Straße, das neue Schulhaus vom jungen und bereits bekannten Münchner Architekten Sep Ruf (1908-1982), eigentlich Franz-Joseph, mit Turnhalle gebaut, anschließend der Kinderhort und die Gemeindeverwaltung an der Ostseite der Eversbuschstraße/ Ecke Höcherstraße (Bild 4). Damit waren die Nazis endgültig in Allach angekommen, wie vor allem die großartige „Einweihung“ der Adolf-Wagner-Schule am Sonntag, den 3.Oktober 1937 zeigt (StAM Allach 541). Man hatte ein festliches Programm entwickelt und über eine fast fünfseitige Gästeliste alle eingeladen, die in der NS-Bewegung Rang und im bürgerlichen Bereich Namen hatten. So überreichte der bis zum 1. Dezember 1938 letzte Bürgermeister Allachs dem Staatssekretär Köglmaier wegen seiner Verdienste um die Gemeinde die Urkunde zur Ernennung zum Ehrenbürger.

Der „Völkische Beobachter“ (NS-Parteiblatt) hatte schon am 29.09.1937 die Allacher Bevölkerung zum „reichen Flaggenschmuck für das festliche Ereignis“ aufgerufen und das Programm bekanntgegeben. Am 02.10.1937 schloß der Würmtalbote nach einer ausführlichen Programmbeschreibung des kommenden Ereignisses mit dem Satz: „Der Sonntag wird für Allach und seine Bevölkerung ein denkwürdiger Festtag werden, der wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird.“ Die „Münchener Zeitung“ vom 04.10.1937 konnte das Fest aus der Vergangenheit beschreiben: “Ein strahlend schöner Oktobertag war der Einweihung der Adolf-Wagner-Schule in Allach beschieden … Auf dem Festplatz am Schulhaus hatten mit zahlreichen Volksgenossen die Ehrenformationen der NSDAP und der angeschlossenen Gliederungen Aufstellung genommen.“ Die Presse berichtete auch über die Schlüsselübergabe durch Köglmaier an den Schulleiter Winckler, der in seiner Ansprache die nationalistische Erziehungsarbeit in den Vordergrund seiner Ausführungen stellte. Daran schloß sich die Begehung der Schule durch die geladenen Gäste an, die sich begeistert zeigten, weil darin der Allacher Schuljugend … ihre Erziehung zum deutschen Menschen genießen soll“ (Würmtalbote v. 02.10.1937). Nach einem festlichen Mittagessen in der Schießstätte mit allen am Bau beteiligten Arbeitern und Unternehmern konnte am Nachmittag die Bevölkerung den 320.000 Reichsmark teuren Bau besichtigen. Nochmals die Münchner Zeitung vom 03.10.1937: „Eine Büste des Staatsministers Adolf Wagner und eine Wandinschrift weisen auf den Namen und die Bedeutung der Schule hin…. (Bild 5). Den schönen Bau fertigte Architekt Diplomingenieur Sep Ruf in Zusammenarbeit mit Architekt Diplomingenieur von Zündt und Regierungsbaumeister Otto Koch, einem Allacher (Dem.) an.“

Wer Weiteres zur Schule und zum Architekten lesen will, verweise ich auf meinen Artikel in „Münchener Vorstadtgeschichten. Allach-Untermenzing“ (S.69-72) und meinen Artikel vom 13. Mai 2020 „Franz Rank (1870-1949), Sep Ruf (1908-1982). Architekten-Portraits für Allach-Untermenzing“ im Werbe-Spiegel.

Im Bild 6 sieht man rechts die heutige Tafelseite, die man für eine Erinnerung an die braune Vergangenheit nutzen sollte. Für Vorschläge stehe ich zur Verfügung. Und wende mich zunächst an die Schulleiterin, Frau Dominika Neresheimer.

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