„Wo ist denn das @-Zeichen?“
Mittelschüler erklären Aubinger Rentnern den Computer
Millimeterweise bewegt sich der Mauszeiger über den Bildschirm. Die alte Dame schiebt voll konzentriert eine Computermaus über den Tisch. „Jetzt drücken“ ruft ihr der Jugendliche zu, als der Zeiger das Eingabefenster erreicht. An diesem Vormittag haben die Achtklässler der Mittelschule an der Wiesentfelser Straße die Rolle getauscht. Sie sind Lehrer. Neben ihnen sitzen die grauhaarigen und betagten Schüler, die das letzte Mal vor vielen Jahrzehnten die Schulbank gedrückt haben. „Für Menschen, die ohne Computer aufgewachsen sind, ist es nicht immer leicht, deren Möglichkeiten zu nutzen“, erklärte Julia Fröbel von der Umweltorganisation Green City. In dem von der EU geförderten Forschungsprojekt „Transfer“ sollen junge Leute den Alten die Technik näherbringen. Diese sollen später ihre Fahrten mit S-Bahn und Bus online auf dem PC oder Smartphone planen, Fahrpläne auf dem Handy aufrufen und Tickets im Internet buchen können.
Im Rahmen des Ethikunterrichts wollte Klassenlehrerin Brigitte Kraft schon lange mit ihrer achten Klasse ein Projekt durchführen, in dem die Schüler lernen mehr Verantwortung für das Viertel zu übernehmen. „Ich habe dann von dem Projekt Transfer erfahren und mich beworben.“ Die Schüler waren gleich angetan von der Aussicht ihre Handys auch einmal im Unterricht nutzen zu dürfen. Zuvor wurden sie in vier Doppelstunden von Julia Fröbel und ihren Mitarbeiterinnen auf ihre Aufgabe vorbereitet. Sie bekamen für den Unterricht Arbeitsblätter ausgehändigt, die sie mit den Senioren des Aubinger Alten- und Servicezentrums bearbeiten sollen. Auf dem „Lehrplan“ standen Tipps für das Surfen im Internet, Seiten aufrufen sowie Übungen, um Verbindungen zu suchen, Fahrpläne im Internet zu lesen und die elektronische Fahrplanauskunft zu verstehen.
Vom Heimatbahnhof zum Flughafen
Am Anfang gab es auf beiden Seiten Hemmschwellen zu überwinden, aber bereits in der zweiten von vier Unterrichtseinheiten haben die Schüler-Senioren-Teams Vertrauen zueinander gefasst. Schritt für Schritt und je nach individueller Vorbildung tasteten sich die Lerngruppen voran. Während manch ein Senior bereits die Strecke vom Heimatbahnhof zum Flughafen eingeben konnte, kämpften andere noch mit der Tastatur. „Blöd, dass die Buchstaben nicht nach der Reihenfolge angeordnete sind“, scherzte eine Dame. Dank der geduldigen Hilfe ihres jungen Lehrers gelang es ihr dann aber doch, die Internetadresse einzugeben und das Sternchen für die Favoriten anzuklicken. „Die Schüler machen das richtig, richtig klasse“, lobte Julia Fröbel.
An diesem Vormittag sollten Seiten als Favoriten gespeichert werden. „Menu“, „Ordner“, „Fenster“, „Webseite“ – während sich einige ganz gut mit dem Computer auskannten, waren diese Begriffe für andere völlig neu. „Wie bekomme ich das @-Zeichen?“, „Wo ist denn das 'u' auf der Tastatur“ und „muss ich links oder rechts auf der Maus drücken?“ lauteten Fragen, auf die die Achtklässler geduldig antworteten. Immer wieder mussten sie aber auch eingreifen, wenn wieder die Seite aus Versehen geschlossen wurde oder die Maus ein Eigenleben entwickelt hatte.
Es sei vor allem die Kombination zwischen sehr alten und sehr jungen Menschen, die bei diesem Projekt gut funktioniere, erklärte Julia Fröbel. Während die mittlere Generation sich vor den Schülern oft keine Blöße geben wolle, haben die Alten kein Problem damit, sich von der Enkelgeneration etwas sagen zu lassen. „Sehr gut erklären sie uns das“, meinte eine Dame und ihr Sitznachbar nickte zustimmend.
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