Street-Art fürs Westend
Wieviel darf Kunst im öffentlichen Raum kosten?
Skulpturen aus Klebeband des US-amerikanischen Künstlers Mark Jenkins zieren zwei Häuser im Westend. In der Westendstraße 99 schweben zwei Blondinen auf Schaukeln an der Mauerfront. Eine auf dem Flachdach liegende hyperrealistische Skulptur scheint in der Tulbeckstraße 34 die Fassade zu bemalen. Das Kunstprojekt hatte Sebastian Pohl, Kurator vom Positive-Propaganda e.V. im vergangenen Jahr realisiert. Im Sommer 2014 möchte er nun ein Duo aus Los Angeles einladen: Cyrcle. nennen sich die international agierenden Street-Art-Künstler, der Punkt hinter dem Namen gehört zu ihrem Markenzeichen. Letzten Herbst gestalteten sie eine großflächige Mauer am Santa Monica Boulevard in Los Angeles, und vergangenen Monat eine auf der Kunstmesse Art Basel-Miami.
Die Künstler haben ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Verein zugesagt, an der Gestaltung von Hausfronten in der Bergmannstraße hat die Wohnungsgesellschaft GWG bereits Interesse bekundet. Eine Auflistung der Kosten für das diesjährige Projekt hat der gemeinnützige Verein bereits erstellt, und diese dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München vorgelegt: Auf rund 67.000 Euro beläuft sich ihre Kalkulation.
"Ein Gewinn für München"
Der Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe begrüßte Pohls Vorschläge. Auch aus dem Stadtrat bekam der Kurator positives Feedback. Der hat nämlich entschieden, die Hälfte des verfügbaren Budgets für projektbezogene Kunst im öffentlichen Raum zu verwenden. Insgesamt etwa 600.000 Euro pro Jahr stehen dem Kulturreferat derzeit für temporäre Kunstwerke im Stadtraum zur Verfügung. Positive-Propagandas Street-Art-Projekt habe für die Stadt durchaus Relevanz, die Kostenberechnung sei im realistischen Rahmen, so die Auskunft.
Bleibt die Frage: Wollen wir, brauchen wir Street-Art? Und welche Summen sollten aus öffentlichen Mitteln zu den Kosten beigetragen werden? Sebastian Pohl ist von der Relevanz solcher Projekte für die Allgemeinheit überzeugt: „Street-Art beeinflusst und inspiriert eine Gesellschaft! Die Kunstschaffenden setzen sich kritisch mit ihrer Umgebung auseinander. Hinterlassen international renommierte Künstler in der Stadt sichtbare und zudem dauerhaft bestehende Spuren, ist das ein Gewinn für München."
Auch Künstler haben Verpflichtungen
"Was bezahlt wird, ist lediglich eine bemalte Wand", kritisiert Pohl allerdings die Beträge der Förderungen. Offenbar bedenke dabei kaum einer, dass eine derartige Aktion monatelange Vorarbeiten erfordert, dass allein die achttägige Miete für die notwendige Hebebühne rund 5.000 Euro ausmacht, dass die Künstler Flugtickets, Unterkünfte und Verpflegung benötigen. Hinzu komme ein Honorar für die Künstler und die Organisatoren des Vereins. Dass Kunst auch einen Preis hat, ist für Pohl eine Frage der Wertschätzung. Außerdem haben auch renommierte Künstler finanzielle Verpflichtungen, wollen mal Urlaub machen und müssen fürs Alter vorsorgen.
Ein paar Multinationale Konzerne haben Pohl bereits ein Sponsoring für zukünftige Projekte angeboten, um am Ort des Geschehens subtile Werbebotschaften einzubinden. Empört weist der Kurator derartige Offerten ab: „Es geht uns bei diesem Projekt um die Rückeroberung des zunehmend von Konzernen privatisierten öffentlichen Raums! Ich bin doch keine Hure!"
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