"Mit Walzer und Polka kommt man schon sehr weit!"
Interview mit Tanzmeister Thomas Höhenleitner über die Vorstadthochzeit
In der kommenden Woche findet wieder Münchens berühmtester Künstlerball statt – "die Vorstadthochzeit anno 1905", bei der alle Gäste in Tracht oder im Kleidungsstil des ausgehenden 19. Jahrhunderts kommen. Eine der Hauptattraktionen in diesem Jahr wird die Welturaufführung der Glasscherbenviertelrevue mit fernsehbekannten Künstlern sein. Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit Tanzmeister Thomas Höhenleitner, der sich auf dem Fest um die Polonaise und die Française kümmert und noch so einige andere Aufgaben hat.
Herr Höhenleitner, was hat Sie bewogen, das Angebot anzunehmen, in diesem Jahr als Tanzmeister auf der Münchner Vorstadthochzeit anno 1905 zu agieren?
Die Münchner Vorstadthochzeit ist einfach ein großartiges Spektakel – mit Liebe zur Tradition, aber gleichzeitig auch sehr skurril und ganz ohne den brauchtumspflegerischen Ernst, der so manches gut gemeinte bayerische Volkstanzfest prägt. Dabei treten hervorragende Künstler und Kabarettisten und mit den Tanngrindler Musikanten eine der besten bayerischen Tanzmusiken auf. Da ist es eine Ehre, als Tanzmeister dabei sein zu dürfen.
Was erwarten Sie sich von diesem Künstlerball?
Zusammen mit dem „hochverehrten Publikum" und allen „ehrengeachteten Damen und Herren" möchte ich ein Stück altes München erleben – die besondere Lebensfreude seiner Bierhallen- und Ballbesucher, die Extravaganz seiner Bohème und den ebenso derben wie liebenswürdigen Humor seiner Volkssänger. Natürlich weiß jeder, dass die „gute alte Zeit" auch in München nicht nur gut war, aber sich für ein paar Stunden einer solchen Illusion hinzugeben, tut der Seele einfach gut.
Was ist für einen Tanzmeister wichtig?
Nach Georg v. Kaufmann, dem „Altmeister" der bayerischen Tanzpflege, hat der Tanzführer immer schon folgende Aufgaben gehabt: „Er hat den Anfang und das Ende des Abends festgelegt, hat die ‚Polonaise' angeführt und den ‚Frassä' geleitet, hat gesorgt, dass die Musik fleißig spielt, dass sie aber auch zu ihrem Bier, Essen und Verdienst kommt." Vieles davon ist bei der Vorstadt-Hochzeit ja Gott sei Dank schon geregelt, aber um eine respektable Polonaise und eine vergnügliche Française muss ich mich schon kümmern. Und auch den einen oder anderen Tanz werde ich vorzeigen, damit alle mitmachen können.
Wie gut tanzen Sie selbst?
Da müssen Sie die Damenwelt fragen – aber ich hab, was bayerische Tänze betrifft, noch keine Beschwerden gehört.
Was macht man, wenn man bestimmte Tänze nicht so gut beherrscht?
Selig, die's nicht so gut können, denn sie werden die größte Freude haben! – Ganz ehrlich: Die Vorstadthochzeit ist doch ein großes bayerisches Gaudium. Da wär's schlimm, wenn's zuginge, wie auf einem Tanzkurs-Abschlussabend! Das Wichtigste am 27. April ist sicher nicht, dass jeder alles richtig macht, sondern dass alle jeden Spaß haben. Und mit Walzer und Polka kommt man schon sehr weit!
Sie geben zusammen mit der Traudi Siferlinger ja auch Jodelkurse für das Münchner Kulturreferat, wie passt das zum Tanzmeisterdasein?
Da gibt's keinen Widerspruch. Ob man zusammensteht und einen Jodler herauslässt oder ob man miteinander tanzt – in beiden Fällen entsteht im Nu ein begeisterndes Miteinander. Und das ist es eigentlich, was ich erreichen möchte: In unserer sehr individualistischen, oftmals von Konkurrenzdruck und sozialen Ängsten geprägten Welt wieder Chancen für menschliche Begegnungen zu schaffen. Die bloße Pflege der Tradition um der Tradition willen führt letztlich nicht weiter. Aber eins ist auch klar: Im überlieferten bayerischen Singen und Tanzen steckt, wenn man's richtig macht, ein Riesenpotenzial für das Erleben von Gemeinschaft. Die Vorstadthochzeit wird's zeigen!
Die Vorstadthochzeit findet am Freitag, 27. April, im Festsaal des Hofbräuhauses statt und wird von BRalpha aufgezeichnet. Einlass ist ab 18.30 Uhr, offizieller Beginn ist 19.30 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf unter www.muenchenticket.de oder Tel. (0180) 54818181.
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