„Anfassen, streicheln, kuscheln"
In der Grundschule Fürstenrieder Straße läuft das Rattenprojekt „Tiere als Therapie"
„Oh wie süß" und „kuschelig" ertönt es von den Schülern der Klasse 2b, als Coco, Dumbo und Ratatui den Klassenraum der Grundschule in der Fürstenrieder Straße betreten. Dabei handelt es sich um die Albino-Ratte Coco, die Siam-Ratte Dumbo und die schwarz-weiße Ratte Ratatui. Die Studentin Sina Küllenberg führt in der zweiten Klasse der Grundschule das Projekt „Tiere als Therapie" durch und bringt dafür ihre acht Ratten mit. Sina Küllenberg (29) ist gelernte Tierpflegerin und arbeitet derzeit im Tierpark Hellabrunn. Nebenberuflich studiert sie in Wien den universitär gestützten Lehrgang „Tiergeschützte Therapie und tiergeschützte Fördermaßnahmen". Und da für das Studium noch einige praktische Erfahrungen notwendig sind und sie Studien für ihre Abschlussarbeit sammeln möchte, beschloss sie, der Grundschule das Rattenprojekt anzubieten. „Ich will mir anschauen, was man mit Ratten bewirken kann, zum Beispiel die sozialen Fähigkeiten der Kinder stärken. Die Kinder können das soziale Verhalten der Ratten beobachten und es dann übertragen", erklärt sie.
Keine Berührungsängste
Als Sina Küllenberg ihre acht Ratten in den Klassenraum der 2b bringt, sitzen die Schüler still und gespannt um den runden Tisch. Zunächst wird die Rattendecke auf dem Tisch ausgebreitet und dann dürfen die Ratten ihre neuen Häuser erkunden. Die Schüler haben acht Häuschen aus Kartons gebastelt, um es den Ratten bei ihrem Besuch wohnlicher zu gestalten. Sie streicheln, füttern und sehen den Ratten zu.
„Gerade bei den Stadtkindern ist alles was mit Tieren zusammenhängt hochinteressant. Sie können die Ratten anfassen, streicheln, kuscheln. Die Kinder sind begeistert. Denn wer darf heutzutage noch ein Haustier halten?", meint Rektorin Christine von Sprenger. Die sehr gut gepflegten und sozialisierten Ratten zeigen den Kindern gegenüber keine Scheu und suchen zutraulich den Kontakt. Aber auch die Grundschulkinder haben keine Barriere, die liebgewonnenen Nager zu berühren. „Die Kinder haben sich überhaupt nicht geekelt. Und was mich überrascht hat: Es gab bei allen 25 Schülern überhaupt keine Vorbehalte den Ratten gegenüber. Alle Kinder sind ganz positiv auf die Ratten zugegangen", äußert Klassenlehrerin Ursula Harkensee.
Ratten mögen Mais
Da der Lehrplan für die Grundschulkinder der Klassenstufe zwei das Thema Haustiere vorsieht, verbindet Ursula Harkensee das praktisch erfahrene Wissen über Ratten mit theoretisch erarbeiteten Fakten. „Das Projekt passt genau ins Konzept der Grundschulpädagogik, denn es folgt dem Prinzip des direkten Erlebens. Es ist kein Frontalunterricht, also nicht nur das rational, kognitive Lernen, sondern ein Lernen durch emotionalen Zugang. Die Schüler erfassen mit allen Sinnen", erklärt sie. So erzählen die Schüler aufgeregt, was sie seit dem letzten Besuch der Ratten über das Verhalten, die Fressgewohnheiten und die Eigenschaften von Ratten in Erfahrung gebracht haben: Ratten stammen ursprünglich aus Asien, sie sind nachtaktiv, können gut riechen, ihr Schwanz ist kürzer als ihr Körper und eigentlich können sie alles fressen, aber sie mögen gerne Nudeln und Mais.
Sina Küllenberg möchte mit ihrem Projekt vor allem das Mitgefühl der Kinder für eigene Haustiere, aber auch Lebewesen im Allgemeinen stärken und mit negativen Vorurteilen aufräumen. Der Kontakt mit den Tieren ermöglicht den Schülern einen emotionalen wie empathischen Zugang, so dass „gerade auch stillere Kinder sich einbringen können", wie Christine von Sprenger erklärt.
Auch Sina Küllenberg stellt bei ihrem Projekt zahlreiche soziale Kompetenzen bei den Schülern im Umgang mit den Ratten fest: „Man kann beobachten, dass die Kinder Teamgefühl, Verantwortungsbewusstsein und auch Rücksichtsnahme zeigen, wenn sie zum Beispiel zugunsten der Tiere still sind." Weil das Projekt von den Schülern begeistert angenommen wird und so erfolgreich läuft, wird Sina Küllenberg mit ihren Ratten weitere Klassen der Grundschule besuchen. Denn, wie Ursula Harkensee erklärt: „Das gemeinsame Sich-um-Tiere-Kümmern verbindet. Kinder und Tiere, das passt einfach gut zusammen."
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