Pasing · „Ein harter Kampf“
Wie Markus (11) vom Mondscheinkind zum Sonnenkind wurde
Mit entsprechender Schutzkleidung kann Markus sich auch bei Tageslicht draußen aufhalten.
Wie in Trance
Im Frühjahr 1997 teilte man Moni Prenting und ihrem Mann Dirk die Diagnose mit: Markus hat Xeroderma Pigmentosum. „Zunächst haben wir gedacht: Was soll der Schmarrn? Wir wussten ja auch gar nicht, was das bedeutet.“ Die Prentings funktionieren zunächst wie in Trance, hören auf den Rat der Ärzte, die selbst wenig Kenntnisse über die Krankheit haben: „Niemand wusste genau Bescheid. Von ärztlicher Seite gab es viele Fehlinformationen, da XP noch nicht weit erforscht ist.“ Deshalb hielten sich Prentings in ihrer Hilflosigkeit an der Rat der Ärzte und stellten ihr Leben um: sie verdunkelten die Fenster, gingen mit Markus nur noch ab der Dämmerung nach draußen. Im Sommer spielte Markus nachts auf dem Spielplatz während ihm Mutter oder Vater mit der Taschenlampe leuchtete. „Wir haben uns jeden Abend getrennt – einer musste ja bei Melanie bleiben.“ Tochter Melanie (heute 15) war schließlich ein gesundes Kind und ging zur Normalzeit ins Bett – eine harte Zeit. „Das Normalste der Welt war nicht mehr möglich“, beschreibt Moni Prenting die damalige Situation. „Ich konnte nicht mal mehr einkaufen gehen. Freundinnen haben mir geholfen, die eine hat was vom Metzger mitgebracht, die andere Gemüse...“
„Zurück ans Licht“
Tochter Melanie rückte erstmal in den Hintergrund. Als dann auch die Medien auf Markus aufmerksam werden, ihn besuchen und ihm Geschenke bringen, zeigt das Mädchen eine starke Reaktion: Melanie bricht mit einem Fieberkrampf zusammen, muss eine Woche im Krankenhaus verbringen. „Damit hat sie uns deutlich gemacht: „Hallo, ich bin auch noch da!“ Markus’ Krankheit hat alles in den Hintergrund gerückt, wir haben Melanie zu dieser Zeit einfach nicht wahrgenommen“, gesteht Vater Dirk. Nach diesem heilsamen Schock war die Familie am Ende ihrer Kräfte. Moni Prenting: „Ich konnte nicht mehr. Ich habe gesagt: Wir müssen zurück ans Licht, müssen Markus ans Licht bringen.“ Moni und Dirk Prenting beginnen sich zu informieren, kaufen über viele Ecken ein Messgerät für UV-Strahlen und Cremes mit dem höchsten Lichtschutzfaktor 50+, befestigen UV-abweisende Folien an den Fenstern ihrer Wohnung. „Je mehr wir uns mit dem Thema beschäftigt haben, umso mehr Türen haben sich geöffnet“, sagt Moni Prenting. Markus trägt nun Schutzkleidung und kann sich so auch bei Tageslicht im Freien bewegen. Nach vielen Gesprächen bekommt Markus einen Kindergartenplatz, später besucht er wie jedes Kind eine Grundschule. „Das hat wunderbar geklappt. Die Kinder haben sich Markus gegenüber sehr solidarisch verhalten.“ Markus nimmt bei Ausflügen und Sport im Freien teil, fährt sogar mit ins Schullandheim. Für seine Eltern ist es nach der Zeit im Dunkeln, einer Zeit der Isolation, wichtig, dass ihr Sohn am Leben teilnimmt. „Wir sind eine sehr aktive Familie. Markus spielt als Torwart im Hockeyverein. Sein Helm ist mit Schutzfolie beklebt, das ist alles kein Problem.“
Kassen zahlen nicht mehr
Mittlerweile besucht Markus das Gymnasium in Germering. Auch dort wurde an den Fenstern Schutzfolie befestigt. Die Folie hat bisher die Krankenkasse bezahlt. „Es war ein langer Kampf“, erzählt Moni Prentling, „aber letztendlich haben wir erreicht, dass Cremes und Schutzfolie bezahlt wurden.“ Doch mit der Gesundheitsreform hat sich das nun geändert: „Die Cremes, die XP-Patienten benötigen, zählen nicht als Medikamente, sondern als Kosmetikartikel“, berichtet die 40-Jährige kopfschüttelnd. Ein Betroffener ist deshalb vor Gericht gegangen, hat den Fall jedoch verloren. „Es gäbe auch die Möglichkeit, die Cremes als Hilfsmittel zu deklarieren“, fügt Dirk Prenting hinzu. „Aber für XP-Patienten gibt es keine Hilfsmittel.“ Familie Prenting hofft, dass die seltene Krankheit auf Bundesebene wahrgenommen wird. „Es kann doch kein Problem sein, für die etwa 50 Betroffenen in Deutschland die für sie lebenswichtigen Cremes zu bezahlen!“
Erste deutsche Selbsthilfegruppe
Damit Betroffene mit ihrem Schicksal nicht so alleine sind, wie es die Prentings zunächst waren, hat Moni Prenting die Selbsthilfegruppe „XP-Freu(n)de Mondscheinkinder“ gegründet. „Im letzten Jahr kam ein Anruf von einem Hotelier aus Nordrhein-Westfalen, der im Fernsehen einen Bericht über Mondscheinkinder gesehen hatte und helfen wollte“, erzählt Prenting. Es gab ein erstes Treffen und nach und nach kam dann der Anstoß zur Gründung einer Selbsthilfegruppe. Anfang November diesen Jahres trafen sich schließlich 10 Betroffene mit Partner oder Familie im „Hotel Jagdhof Glashütte“. „Es war fantastisch!“, erinnert sich Moni Prenting, die alles organisiert hat. „Es tut gut, dass wir nicht mehr allein sind.“ Auf die Beteiligten des Treffens, unter ihnen auch zwei Betroffene aus den Niederlanden und England, wartete ein tolles Programm mit Musik, Barbecue und einer Kutschfahrt. „Es war einfach toll!“ Für Familie Prenting war dieses Treffen ein wichtiger Schritt in die Zukunft. „Ich möchte ein Netzwerk aufbauen“, so Moni Prenting. Vor Weihnachten hat sie Päckchen für die neuen Freunde vorbereitet, mit einem Sunblocker-Lippenpflegestift und einem Foto des Treffens. Und das Hotel hat für 2007 ein weiteres angekündigt: „Das soll keine Eintagsfliege bleiben!“ Prenting hofft, dass sich im nächsten Jahr noch mehr Betroffene an dem Treffen beteiligen. „Ich bin voller Tatendrang.“
„Liebenswertes Sonnenkind“
Es war ein aufregendes Jahr für Familie Prenting aus München, „aber ein positives“, wie Mutter Moni betont. An Silvester werden Markus, Melanie, Moni und Dirk wie schon im letzten Jahr vom Westkreuz durch den Stadtpark in die Pasinger Gräfstraße wandern. Dort feiern sie mit ihren Freunden der Bäckerei Keller, die auch das XP-Treffen finanziell unterstützt haben, ins neue Jahr. „Ich hoffe, dass sich noch mehr Leute für unsere Selbsthilfegruppe finden und wir Hilfestellungen geben können. Außerdem wäre es schön, wenn die Krankenkassen wieder die Kosten für Schutzmittel übernehmen, dann wären alle XP-Patienten zumindest finanziell abgesichert.“ Für ihren Markus hofft sie, dass sein Zustand weiterhin stabil und gut bleibt. „Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass mein Mondscheinkind ein so temperametvolles, quirliges, lustiges und vor allem liebenswertes Sonnenkind bleibt!“ Weitere Informationen zur „Mondscheinkrankheit“ Xeroderma Pigmentosum und der Selbsthilfegruppe „XP-Freu(n)de Mondscheinkinder“ im Internet unter www.xerodermapigmentosum.de.
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