Historisches Laim wird kaputt gebaut
Neuapostolische Kirche und ein Mehrfamilienhaus in der Helmpertstraße geplant
Der Architekt Theodor Fischer hätte sich wohl die Haare gerauft, wenn er erfahren hätte, welche Neubauten in der unmittelbaren Nachbarschaft der von ihm entworfenen Mietshäuser geplant sind. In der Helmpertstraße ist der Neubau einer neuapostolischen Kirche vorgesehen. Gleichfalls soll am benachbarten Grundstück eine alte Villa abgerissen werden und durch den Neubau eines Mehrfamilienhauses ersetzt werden.
Maximalbebauung ist Trend
Zur Jahrhundertwende prägte der Baustil Theodor Fischers das städtebauliche Erscheinungsbild Laims maßgeblich. Bauten in der Agnes-Bernauer-Straße, der Agricolastraße und der Fürstenrieder Straße geben bis heute Zeugnis über Fischers Bauweise ab. Die Inbezugnahme regionaler Besonderheiten sowie die soziale Auswirkung seiner Pläne, galten dem Architekten als wichtige Maßstäbe. Solcherlei Überlegungen zum Städtebau scheinen heutzutage jedoch kaum mehr von Bedeutung zu sein. Kubische Bauten sind angesagt, die vor allem dem Prinzip der dichten Bauweise genüge tun müssen. „Das Thema Nahverdichtung schließt doch nicht aus, dass da gute Architektur entstehen darf“, äußert Anette Zöllner, Vorsitzende des Unterausschusses (UA) für Bauen und Planen im Laimer Bezirksausschuss (BA 25). Anlass zur Empörung über die aktuellen städtebaulichen Entwicklungen bietet dem Laimer BA der kürzlich eingereichte Antrag auf Baugenehmigung. Hierin wird beantragt, den Neubau einer neuapostolischen Kirche zu bewilligen, der die alte Kirche in der Helmpertsraße 7 ersetzen soll. Zurzeit befindet sich auf dem Flurstück 33/ 3 ein würfelförmiger Kirchenbau mit etwa 18 mal 18 Metern Grundfläche sowie ein kleineres Hinterhaus. Diese sollen komplett abgerissen werden und durch einen Neubau, der etwa die dreifache Baumasse hat, ersetzt werden. Neben der immensen Baumasse, erachtet Zöllner auch das für das geplante Bauvorhaben notwendige Fällen fast aller alter Bäume, die sich auf dem Grundstück beifinden, als überaus problematisch. 19 Bäume auf dem Grundstück selbst sowie 2 Bäume auf dem Nachbargrundstück sind zur Fällung beantragt, wobei die wenigen vorgesehenen Neupflanzungen „auf keinen Fall als Ersatz zu dem radikalen Kahlschlag akzeptiert werden“, heißt es im Protokoll des UA Bauen/ Planen. Der geplante Bau werde das Grundstück buchstäblich überfrachten, meint Zöllner. Zugleich äußerte sie Bedenken, dass die Abstandsflächen zum Nebengebäude eingehalten werden können. Bei dem Bauvorhaben handle es sich um eine absolute Maximalbebauung, die nahezu von Grenze zu Grenze verlaufen werde.
„Knackbeton“ statt historisches Kulturgut
In direktem Zusammenhang mit dem Neubau der neuapostolischen Kirche, ist das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück zu sehen. Vom gleichen Architekten entworfen und zur gleichen Zeit beantragt, stellen die geplanten Bauvorhaben, trotz verschiedener Eigentumsverhältnisse, eine Einheit dar und wurden daher im Lageplan auch nebeneinander dargestellt. Die freistehende alte Villa soll hier abgerissen werden, zugleich 10 Bäume gefällt werden, so dass auf diesem Grundstück ein Mehrfamilienhaus mit neun Wohneinheiten entstehen kann. Auch hier ist die Baumasse nach der maximal möglichen Abstandsflächengeometrie geformt, um eine höchstmögliche Verdichtung auf dem Grundstück zu gewährleisten. „Auf architektonisch Qualität wird konsequent verzichtet“, heißt es dazu vom UA Bauen/ Planen. Das Grundstück werde „mit abscheulicher Architektur vollgepflastert“, erklärt Zöllner. Gleichfalls empört über den eingereichten Bauplan zeigen sich die Bewohner der gegenüberliegenden, denkmalgeschützten Theodor-Fischer-Wohnhäuser. Professor Carsten Trinitis, Dipl.-Ing. Sabine Kiermaier und ihre Nachbarn setzen sich rigoros für den Erhalt der historischen Villa sowie der alten Bäume ein und baten hierfür um Unterstützung durch den Laimer BA. „Es geht um die Zerstörung alt gewachsener Stadtviertel“, erklärt Trinitis. Der „Knackbeton“, wie Mitstreiter Gerry Wallner die geschlossene Baumasse bezeichnet, verdränge zunehmend historisches Kulturgut. Die Ästhetik des gesamten Straßenzuges werde unter dem Neubau leiden. Anette Zöllner pflichtet den engagierten Anwohnern, auch in ihrer Funktion als Architektin, bei: „Alles hier ist unter Denkmalschutz und dann so ein vis-a-vis. Die moderne Art und die Baumasse passen hier einfach nicht rein.“ Durch den vorgesehenen Bau, wird sich der Eindruck eines abgeschlossenen Riegels ergeben, der nicht in Bezug zu den umgebenden Gebäude steht. Man müsse Paroli bieten, wenn München in einer solchen Weise kaputt gebaut würde, meint Zöllner. Denn, werden solche Bauten erst einmal genehmigt, werden andere Bauherren dem Beispiel folgen. „Wir fürchten, dass ein Präzedenzfall geschaffen wird, so dass diese dichte und phantasielose Art des Bauens, sich weiter reinfrisst“, erklärt Trinitis.
Einsatz für Erhalt des architektonisches Erbes
Um sich tatkräftig für den Erhalt der historischen Villa einzusetzen und weitere Mitstreiter zu mobilisieren, planen Trinitis und Wallner, ihr Anliegen per facebook Kund zu tun. Auch ist eine Unterschriftenaktion geplant, um für die Wertschätzung des architektonisches Erbes zu kämpfen. Unterstützt werden die Neubaugegner dabei auch vom Laimer BA. Nachdem der UA Bauen/ Planen das Bauvorhaben vehement ablehnt, pflichten auch andere BA-Mitglied diesem Vorgehen bei. „Man konnte nicht ahnen, welche Dimension der Kirchenbau annehmen würde“, erklärt CSU-Fraktionsvorsitzender Peter Stöckle, und schlägt vor, die Bedenken des BA an die Lokalbaukommission (LBK) weiterzugeben. Und auch Vorsitzender Josef Mögele (SPD) meint: „Man muss das Ganze sehen“, und befürwortet, den Bauantrag wie er jetzt vorliegt zunächst abzulehnen. Einzig Ingo Benn, Fraktionsvorsitzender der Grünen, ist der Ansicht, dass sich über Geschmack streiten lässt: „Der ästhetische Aspekt ist doch subjektiv.“ Er spricht sich daher dafür aus, Dialogbereitschaft zu signalisieren und das Gespräch mit den Architekten zu suchen. So beschloss der Laimer BA nun, den Bauantrag erst einmal abzulehnen. Weitere Diskussion mit der LBK und den zuständigen Architekten werden jedoch gesucht, um eine glückliche Lösung – vielleicht sogar im Sinne Theodor Fischers – zu finden.
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