"Es fehlen schlicht Flächen!"
Eine Wohnung zu finden, ist in München schwierig. Und wie sieht es im Umland aus?
Die Münchner Wochenanzeiger haben in der vergangenen Wochen über die Schwierigkeiten z.B. kinderreicher Familien, in München eine Wohnung zu finden, berichtet. Wer keine Wohnung findet, kann weder als Fachkraft arbeiten noch als junger Mensch eine Familie gründen. Die Wohnungsproblematik hängt also eng mit anderen Herausforderungen wie Fachkräftemangel oder Perspektiven für Pflege- und Sozialberufler zusammen. Wie sieht es dort in den Umlandgemeinden aus? Wir haben die Bürgermeister rund um München gefragt:
Genug sozialer Wohnungsbau?
Gelingt es in Ihrer Kommune, sozialen Wohnungsbau in ausreichendem Maß umzusetzen?
Harald Zipfel (Neuried): "Bisher nicht"
Bisher leider noch nicht, da Wohnungsbau in Neuried nur durch Bauträger möglich ist. Bei zukünftigen Bauprojekten wird jedoch bei der Vergabe der soziale Charakter der Bauträger entscheidend sein. Im Raumordnerischen Entwicklungskonzept (ROEK) München Südwest ist dieses ein Thema, das aktuell im Zusammenschluss der betreffenden Gemeinden bearbeitet wird.
Heinrich Hofmann (Planegg): "Es gelingt nicht"
Auch uns in Planegg gelingt es nicht, ausreichend sozialen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage ist auch bei uns sehr groß, da in der Gemeinde Anträge nicht nur von Planegger Bürgern eingehen, sondern auch von Wohnungssuchenden aus dem Großraum München.
Stefan Kolbe (Karlsfeld): "Nein"
Nein, da die Finanzausstattung in der Gemeinde Karlsfeld dies nicht zugelassen hat. Unser Gemeinderat wird sich in den nächsten Wochen mit diesem Thema intensiv befassen.
Brigitte Kössinger (Gauting): "Es gelingt nicht"
Es gelingt uns nicht, in dem gewünschten Maß öffentlich geförderten Wohnraum (sogenannte Sozialwohnungen) zur Verfügung zu stellen. Die Nachfrage hierfür übersteigt bei weitem das vorhandene Angebot. Die Gemeinde Gauting besitzt selbst leider zu wenig Flächen, um sozialen Wohnungsbau selbst umsetzen zu können, entwickelt aber in naher Zukunft ein Gebiet, in dem neue öffentlich geförderte Wohnungen entstehen sollen.
Christine Borst (Krailling): "Nur Tropfen auf dem heißen Stein"
In der Gemeinde Krailling stehen derzeit zwei Bauvorhaben im Bereich sozialer Wohnungsbau an, die zusammen mit dem Verband Wohnen im Landkreis Starnberg realisiert werden. Zum einen wird ein Gebäude, das nicht mehr saniert werden kann, demnächst abgerissen und es entstehen hier ca. 25 neue Wohnungen. Zum anderen hat die Gemeinde dem Verband Wohnen eines der wenigen gemeindeeigenen Grundstücke im Erbbaurecht zur Verfügung gestellt. Auch hier entstehen innerhalb der nächsten zwei Jahre ca. 15 sozial geförderte Wohnungen. Dass dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, ist uns bewusst, aber unsere Gemeinde kann sich aus Standortgründen nur noch innerhalb des Gemeindegebietes entwickeln, und da sind die Möglichkeiten sehr begrenzt.
Uta Wüst (Gräfelfing): "Neues ist schwierig umzusetzen"
Wir sind in Gräfelfing in der glücklichen Situation, dass wir ein eigenes Gemeindebauunternehmen haben. Mit der Gemeindebau können wir in enger Kooperation Gemeindewohnungsbau umsetzen, der preislich unter dem Marktniveau liegt. Eine soziale Bindung ist in diesen Gebäuden anteilig vertreten. Allerdings sind die großen Wohnungsbauprojekte der Gemeindebau vor allem in der Zeit nach dem Krieg entstanden und immer mehr Sozialwohnungen fallen nun aus der Bindung. Neue Projekte sind heute viel schwieriger umzusetzen. Sehr umstritten war deshalb auch unser Projekt für barrierefreie Sozialwohnungen in der Rottenbucherstraße. Hier sollen auf einem zentral gelegenen Grundstück ca. 28 Wohnungen entstehen. Der erste Entwurf hat vor allem in der Nachbarschaft hohe Wogen geschlagen, was dazu führte, dass die Gemeinde einen Architektenwettbewerb initiierte. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, der Siegerentwurf kam aber deutlich besser in der Bevölkerung an. Wenn es uns noch gelingt, mit ansprechender Architektur und trotzdem kostengünstig zu bauen, haben wir sehr viel erreicht.
Susanna Tausendfreund (Pullach): "23 bis 25 neue Wohnungen"
In der Gemeinde Pullach existiert ein Wohnungsbestand von ca. 650 sozial gestützten Wohnungen. Bei ca. 550 dieser Wohnungen hat die Gemeinde das Belegungsrecht. Viele dieser Wohnungen wurden ursprünglich als Sozialwohnungen errichtet, die seit dem Wegfall der Bindung aber weiterhin vergleichsweise günstig und nach sozialen Kriterien vermietet werden. In unserem Bestand gibt es auch einige altengerechte Wohnungen. Hier werden die Mieten einkommensabhängig festgelegt. Nachdem etliche Jahre keine Neubaumaßnahmen durchgeführt wurden, wird die Pullacher Wohnungsbaugesellschaft nun in den kommenden zwei Jahren ein neues Gebäude mit ca. 23 bei 25 Wohnungen errichten: barrierefrei, einige Wohnungen behindertengerecht, höchster energetischer Standard, vorgesehen für generationenübergreifendes Wohnen.
Wie groß ist die Lücke?
In München wurden 2014 etwa 12.400 Anträge auf geförderten Wohnungsbau registriert, aber weniger als 3.800 Wohnungssuchende konnten vermittelt werden. Ist die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage in Ihrer Gemeinde ähnlich groß?
Harald Zipfel (Neuried): "Keine Anträge"
Wir haben fast keine Anträge, daher gibt es diese Diskrepanz in Neuried nicht.
Heinrich Hofmann (Planegg): "Gemeinde ist bemüht"
Wenn eine Wohnung frei wird, so wird diese derzeit von Planegger Antragstellern belegt. Die Gemeinde Planegg ist bemüht - z.B. auf dem Bahnhofsgelände – bei der vorgesehenen Wohnbebauung Angebote zu schaffen, die dann auch für Bürger mit geringerem bis mittleren Einkommen vorgesehen sind.
Stefan Kolbe (Karlsfeld): "Viele Nachfragen"
In unserer Gemeinde liegen sehr viele Nachfragen vor. Der Bestand deckt dies nicht ab. Es müssen neue Wohnungen geschaffen werden.
Brigitte Kössinger (Gauting): "Nur neun vermittelt"
Die Gemeinde Gauting besitzt selbst keine öffentlich geförderten Wohnungen. Allerdings sind wir Mitglied beim Verband Wohnen im Kreis Starnberg. Hier stehen auf Gemeindegebiet rund 170 Sozialwohnungen zur Verfügung. Überdies bietet das Katholische Siedlungswerk ca. 40 öffentlich geförderte Wohnungen an. Im Jahr 2014 konnten lediglich 9 Bürgerinnen und Bürger eine geförderte Wohnung vermittelt werden, da die Fluktuation in Sozialwohnungen sehr gering ist.
Allerdings besitzt die Gemeinde als zusätzliches Angebot 140 und der Verband Wohnen im Kreis Starnberg 201 Wohnungen ohne Bindung von unterschiedlichstem Preisniveau.
Christine Borst (Krailling): "Noch schlechter als in München"
Im Landkreis Starnberg und auch in unserer Gemeinde sieht die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage sogar noch schlechter aus als in München. Da ich auch Vorsitzende des Verbands Wohnen im Landkreis Starnberg bin weiß ich, dass es auch dem Verband immer schwerer gemacht wird, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen. Kostentreiber sind die Energieeinsparverordnung, immer höhere Baustandards und der Stellplatzschlüssel. Diese Lasten sind kontraproduktiv für den Auftrag der Gemeinden an den Verband kostengünstig zu bauen. Ebenso schwierig gestaltet es sich für die Gemeinden, bei den derzeitigen Grundstückspreisen noch einigermaßen preiswert an Privatgrundstücke zu kommen, auf denen sozialer Wohnungsbau verwirklicht werden kann.
Erschwerend kommt in unseren Umlandgemeinden mit hohen Grundstückspreisen dazu, dass die Bürger, die bereits hier leben, neue größere Bauprojekte und eine innerörtliche Verdichtung oft äußerst kritisch sehen und so manches Bürgerbegehren schon entsprechende Bauvorhaben verhindert oder zumindest verzögert hat.
Uta Wüst (Gräfelfing): "Würde gerne zaubern"
Für die Vergabe der Sozialwohnungen ist bei uns das Landratsamt zuständig. Sobald wir aber eine Gemeindewohnung ausschreiben, haben wir innerhalb kürzester Zeit bis zu 50 Bewerber dafür. Manchmal würde ich da gerne genug Wohnungen aus dem Hut zaubern können. Aber gerade in Gräfelfing sind die Flächen sehr begrenzt und die Bodenpreise liegen bei über 1.000 Euro / qm. Gleichzeitig ist unser Ortsbild vor allem durch seinen Gartenstadtcharakter geprägt. Das sind sehr schwierige Voraussetzungen für einen mehrgeschossigen Wohnungsbau überhaupt.
Susanna Tausendfreund (Pullach): "Kaum eigene Flächen"
Über weitere Wohnbauprojekte wird diskutiert, denn auf unserer Warteliste stehen gut 100 Einzelpersonen bzw. Familien. Auch Wohnraum für Flüchtlinge muss zur Verfügung gestellt werden. Allerdings stehen der Gemeinde kaum eigene Flächen zur Verfügung und die Mietpreise auf dem freien Markt können sich Normalverdiener kaum leisten.
Wie ist die Zusammenarbeit?
Der Druck in München wirkt sich auch auf die Umlandgemeinden aus. Wünschen Sie sich eine andere Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt?
Harald Zipfel (Neuried): "Haben keine Grundstücke"
Wir schätzen das Angebot von Herr Reiter sehr, mit den Gemeinden zusammenzuarbeiten. Leider haben wir in Neuried keine eigenen Grundstücke. Als Gemeinde gehen wir bei der Planung deshalb den Weg in der Zusammenarbeit mit den Bauträgern.
Heinrich Hofmann (Planegg): "Regelmäßiger Austausch"
Mit der LH München ist die Gemeinde im regelmäßigen Gedankenaustausch. Der Planungsverband Oberbayern sieht die Bemühungen der Gemeinde recht positiv.
Stefan Kolbe (Karlsfeld): "Erste Signale vom OB"
Eine intensive Zusammenarbeit mit der LHST München ist in jedem Falle wünschenswert. Dieses Problem kann aus meiner Sicht nur gemeinsam gelöst werden. Erste Signale von Seiten des Münchner Oberbürgermeisters, Herrn Reiter, gibt es.
Brigitte Kössinger (Gauting): "Es gibt Konferenzen"
Der Siedlungsdruck aus der Landeshauptstadt auf das Umland ist immens. Es gibt bereits Wohnungsbaukonferenzen, bei denen die Landeshauptstadt versucht, mit den Umlandgemeinden ins Gespräch zu kommen. Wir können unsere Siedlungsprobleme tatsächlich nur gemeinsam in den Griff bekommen.
Christine Borst (Krailling): "Zusammenwirken unabdingbar"
Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen muss Thema der gesamten Planungsregion sein. Hier erachte ich ein Zusammenwirken aller Akteure als unabdingbar.
Uta Wüst (Gräfelfing): "Kann ich nicht erkennen"
Bisher kann ich keine Zusammenarbeit erkennen. Die Landeshauptstadt plant ein riesiges Neubauviertel in Freiham, also in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Ein Austausch dazu findet aber nicht statt. OB Reiter hat uns Landkreisbürgermeister aufgerufen, gerade beim Thema Wohnungsbau eng zusammenzuarbeiten. Allerdings sehe ich da in erster Linie die Stadt München selbst in der Pflicht: wer so großzügig den Bau von Gewerbeimmobilien genehmigt, ohne gleichzeitig einen Wohnanteil einzufordern, darf sich nicht über den Zuzug von Arbeitskräften wundern, die dann aber keinen Wohnraum finden.
Susanna Tausendfreund (Pullach): "Könnte intensiver sein"
Der Wohnungsdruck in der Gemeinde Pullach ist vergleichbar mit dem in der Landeshauptstadt und den übrigen Umlandgemeinden. Eine Zusammenarbeit in der Region zur Schaffung zusätzlichen Wohnraums findet natürlich statt, könnte aber sicher noch intensiver gestaltet werden. Etliche Wohnbaukonferenzen und ähnliche Treffen haben bereits stattgefunden und sind demnächst geplant. Auch der Regionale Planungsverband und der Zusammenschluss zur Metropolregion nehmen bei der Koordination wichtige Funktionen wahr. Aber die Gemeinden und die Landeshauptstadt müssen ihre eigenen Planungsentscheidungen treffen und in vielen Kommunen fehlen schlicht Flächen für den Wohnungsbau oder sie kommen mit der dann nötigen Infrastruktur nicht hinterher.
Einwohnerzahlen (31.12.2013, Landesamt für Statistik)
Krailling 7.515
Neuried 8.437
Pullach 8.898
Planegg 10.459
Gräfelfing 13.170
Karlsfeld 18.949
Gauting 20.097
Germering 38.478
In München wurden 2014 etwa 12.400 Anträge auf geförderten Wohnungsbau registriert, aber weniger als 3.800 Wohnungssuchende konnten vermittelt werden. Ist die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage in Ihrer Gemeinde ähnlich groß?
Der Druck in München wirkt sich auch auf die Umlandgemeinden aus. Wünschen Sie sich eine andere Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt?
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