"Ältere Mitbürger werden eiskalt im Regen stehen gelassen"
Netzumstellung: Florian von Brunn will die Kündigung von Telefonanschlüssen stoppen
Der verbraucherschutzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Florian von Brunn, kritisiert die „massenhafte Kündigung“ von „klassischen“ Telefon- und Internet-Anschlüssen durch die Telekom. Hintergrund: Die Telekom kündigt in Gebieten, wo bereits Glasfaserkabel liegen, Telefon- und Internet-Anschlüsse, weil sie Analog- und ISDN-Telefonie durch Voice-over-IP-Telefonie (Internet-Telefonie) ersetzen will.
„Bis Ende 2018 wird unser komplettes Netz auf IP umgestellt“, erklärt Telekom-Sprecher Markus Jodl auf Anfrage der Münchner Wochenanzeiger. In den vergangenen Jahrzehnten seien unterschiedliche technische Plattformen für Telefon, Internet, Handy, Fernsehen u.ä. entstanden. Um Daten auf diesen Geräten austauschen zu können, benötige man eine einheitliche technische Basis: IP. „Die Umstellung macht in hohem Maße Sinn“, so Jodl, „IP ist der Universalcode des 21. Jahrhunderts.“ Das bestehende Netz biete keine Alternative – auch weil es dafür bald keine Ersatzteile mehr geben werde.
"Hauruck" oder "fair und transparent"?
„Die Kundenbetreuung funktioniert teilweise überhaupt nicht und diese Hauruck-Aktion überfordert viele Kunden, zum Beispiel ältere Menschen, komplett“, so von Brunn, der selbst Betroffener der Kündigungswelle ist. „Etliche Bürger haben sich bei mir gemeldet“, berichtet er: Die Qualität der Telefonie nach der Umstellung sei sehr schlecht; viele Kunden störe besonders, dass das Freizeichen nach dem Abheben erst nach längerer Pause komme. Auch Fälle, in denen Kunden seit der Umstellung drei Wochen kein Telefon mehr haben, nennt er.
Jodl widerspricht: „Das ist keine Ad-hoc-Aktion, unsere Pläne sind seit 2006 bekannt. Da passiert nichts plötzlich.“ Solche technischen Umstellungen seien nichts Ungewöhnliches. Die betroffenen Kunden habe man viereinhalb Monate vor Vertragsende angeschrieben und danach mindestens zwei weitere Male kontaktiert. Jeder könne frei wählen, ob er das neue Angebot der Telekom annehme. Von „Transparenz und Fairness“ spricht Jodl – von Brunn sieht das ganz anders: "Diese Zustände können nicht einfach so hingenommen werden. Die Telekom verhält sich hier alles andere als kundenfreundlich!"
"Es wird Probleme geben"
„Es gibt technische Probleme, die Beratung der Telekom ist mangelhaft und der technische Support überfordert. Hier werden gerade die älteren Mitbürger eiskalt im Regen stehen gelassen!“ Der SPD-Politiker befürchtet, dass bei der Umstellung viele Telekom-Kunden nicht nur falsch beraten, sondern bei technischen Problemen und Unregelmäßigkeiten im Regen stehen gelassen werden: „Selbst wenn die Kunden den kostenpflichtigen Telekom-Installations-Service in Anspruch nehmen, wird es Probleme geben. Allein schon wegen der großen Anzahl an Anfragen.“
"Reine Telefonkunden gar nicht betroffen"
Betroffen sind von der Umstellung laut Jodl „wenige 10.000 Kunden“ in München- und zwar nur solche, die bei der Telekom entweder Telefon- und Internetanschluss haben oder über sie Internet-Telefonie und TV nutzen. „Der reine Telefonkunde ist von der Umstellung gar nicht betroffen“, versichert Jodl, denn bei diesen Anschlüssen erfolgt die Umstellung „unbemerkt“ in der Vermittlungsstelle: „Der reine Telefonkunde kann nach wie vor sein altes Telefon nutzen.“
Und was passiert bei Stromausfall?
Ein weiteres Problem stellen Hausnotrufe oder Alarmanlagen mit Notrufmeldern dar. Bei beiden wird auf Knopfdruck eine Notrufnummer über das Telefon gewählt. „Bei analogen bzw. ISDN-Anschlüssen ist das meistens auch bei Stromausfall möglich, bei Voice-over-IP nicht“, so von Brunn. „Abgesehen von diesen Notrufsystemen gibt es übrigens noch jede Menge alter Telefone, die bei einem Stromausfall ebenfalls funktionieren.“
„Wir stellen nur den Telefonanschluss bereit“, sagt Jodl. Welche Endgeräte der Kunde anhänge, sei nicht Sache der Telekom. Sehe man aber, dass ein Kunde einen Sonderdienst wie Notruf nutzt, weise man ihn aber darauf hin, sich mit dem entsprechenden Betreiber oder Gerätehersteller in Verbindung zu setzen. In Deutschland sei jeder im Schnitt nur 20 Minuten im Jahr von Stromausfall betroffen – ein überschaubares Problem. Und: „Es gibt Möglichkeiten, solche Dienste auch über IP zu betreiben“, so Jodl.
Von Brunn sammelt Beschwerden
Von Brunn fordert die Telekom auf, die Kündigungen zu stoppen und die Umstellungen erst weiterzuführen, wenn diese offenen Fragen geklärt sind. Das Thema soll zudem in der nächsten Beiratssitzung der Bundesnetzagentur behandelt werden.
Die Stopp-Forderung von Brunns kann Jodl nicht verstehen und verweist auf die digitalen Agenda, die schnelles Internet für alle fordert: "Mit IP sind wir in der Lage, schnelleres VDSL anzubieten."
Der SPD-Politiker will sich für die Betroffenen einsetzen: Bei wem sowohl das Telefon als auch das Internet nicht mehr funktionieren, kann sich mit seinem Anliegen direkt an den Münchner Abgeordneten wenden (Bürgerbüro Florian von Brunn, Daiserstr. 27, 81371 München, Mail (mit Betreff "Telekom" an info@von-brunn.de).
Von Brunn möchte die Fälle zusammen mit einem Beschwerdebrief an die Bundesnetzagentur schicken.
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