Wo Freude den Tisch deckt
Münchner Wochenanzeiger kochen mit Geflüchteten "Das erste Abendmahl"
„Du musst das Fenster nicht öffnen, der Dunstabzug läuft auf höchster Stufe,“ bekräftigt Doris Awad von den Münchner Wochenanzeigern auf Englisch. Eric aus Nigeria grinst: „Es ist besser ich mache kurz auf, ganz bestimmt.“ Er behält recht. Es konnte schließlich niemand ahnen, dass Eric drei Kilo Hähnchenfleisch auf einmal in das siedend heiße Öl kippen würde, das mehrere Zentimeter hoch in einem Topf auf dem Herd steht. Es zischt gefährlich – eine große Dampfwolke steigt zum offenen Fenster hinaus.
Insgesamt haben sich sechs Köche aus Westafrika, Pakistan und Afghanistan in der geräumigen Lernküche der Kermess Schulen in Pasing versammelt. An drei der Öfen zischt und spritzt es beinahe kontinuierlich – Öl, so lautet die erste Lektion für alle anwesenden deutschen Helfer, ist wichtigster Bestandteil eines jeden der in Mache befindlichen Gerichte. Hans Resch, Geschäftsführer der - zu Kermess gehörigen - Gastronomie Service Akademie GmbH ist glücklicherweise während der Dampfwolkenepisode nicht im Raum; er zeigt im benachbarten Speisesaal, wie die Wärmeplatten funktionieren, auf denen später alle afrikanischen und arabischen Gerichte Platz finden werden.
Die Küche ist ohnehin ausgelastet, neben den Köchen tummeln sich hier noch mehrere Mitarbeiter der Wochenanzeiger – übrigens allesamt deutlich weniger entspannt als Afrikaner, Pakistani und Afghanen. Außerdem ist Geli Feigenbutz zugegen, Initiatorin des Projekts „Ein Teller Heimat“. Ihr Engagement hatte wenige Wochen zuvor den Anstoß gegeben und alle Anwesenden letztendlich in der Kermess Küche zusammengeführt: Feigenbutz kocht seit 2015 regelmäßig mit Geflüchteten, im Anschluss wird gemeinsam gegessen, Gäste stoßen dazu, man kommt zusammen und tauscht sich aus.
Ein Teller Heimat
Über eine Mitarbeiterin erfuhren die Münchner Wochenanzeiger von „Ein Teller Heimat“, kurzerhand wurde Geli Feigenbutz kontaktiert; man wollte mehr erfahren. Aus reiner Neugier entwickelte sich im Gespräch schnell eine Idee. Die Initiative sollte ausgeweitet werden: Gezielt mit Geflüchteten kochen, die Gastronomieerfahrung oder eine entsprechende Ausbildung mitbringen; Asylbewerbern, die wieder in Küchen oder Hotels arbeiten wollen. Mit Hilfe der Wochenanzeiger Kontakte sollten zum gemeinsamen Essen möglichst viele Volksvertreter und Gastronomen versammelt werden – wie Topf und Deckel würden Hoteliers und Gaststättenbesitzer bei netten Unterhaltungen zu den kochenden Bewerbern finden. Die gemeinnützige Organisation „Social Impact Recruiting“ kam ins Spiel: drei junge Gründerinnen vermitteln arbeitssuchende Flüchtende an Unternehmer unterschiedlichster Branchen. So waren die Köche schnell gefunden; ambitionierte junge Männer aus Nigeria, Gambia, Mali, Pakistan und Afghanistan.
Man einigte sich auf die Zubereitung traditioneller Gerichte aus der Heimat der Geflüchteten. Lebensmittel wurden festgelegt, Einladungen formuliert und versendet. Geeignete Räumlichkeiten stellten die Kermess zur Verfügung, eine Pasinger Hotelfach – und Kochschule. Der Kochtrupp konnte die gut ausgestattete Lernküche und den großen Speisesaal nutzen, geduldiges Personal unterstützte Köche und Helfer tatkräftig.
Vor dem großen Kochen wurde gemeinsam eingekauft ( "Eine Prise Afrika, ein Körnchen Pakistan" im Werbe-Spiegel / Sendlinger Anzeiger vom 13. Juli), am Veranstaltungstag verging die Zeit dann wie im Flug: Überpünktlich trafen sich alle bei strahlendem Sonnenschein an den Kermess Schulen. T-Shirts wurden gewechselt und Schürzen übergezogen. Die Köche legten ohne Scheu los. Nach vierzig Minuten waren Zutaten verteilt, Öfen angeheizt und Messer im Einsatz. Eine weitere Stunde später stand für das Wochenanzeiger Team fest: „Kochen können sie alle.“
Es duftet und dampft. Und wo ist das Brotmesser? Wer hat den Stabmixer? Omar aus Gambia hätte sein Brett bitte gerne etwas gründlicher gesäubert, Assedou aus Mali schrubbt lieber gleich selbst, die sparsame Wochenanzeiger Mitarbeiterin benutzt nicht ausreichend Spülmittel – typisch deutsch.
"Ich bin eingeladen"
Vier Stunden dauerten die Vorbereitungen, in der kurzen Zeit entstand ein Buffet, das sich sehen lassen konnte: unterschiedliche Reisgerichte mit verschiedenen Soßen, frittierte Kochbananen, gebratene Scampi, traditionelle nigerianische Knödel mit zweierlei Suppe, Salate und Kichererbseneintopf. Zum Nachtisch gab es frische Früchte und orientalischen Obstsalat, außerdem einen pakistanischen Milchreis mit Nüssen und Mandeln. Georg Eisenreich, Staatssekretär für Bildung und Kultus, lugte in der Küche schon einmal in die Töpfe, schließlich fanden alle Gerichte auf den Wärmeplatten Platz. Im hübsch dekorierten Speisesaal ließen es sich Gäste und Köche dann schmecken:
Verlegerin Renate Kaiser, Schirmherrin des Abends, probierte sich mit Appetit durch die Buffetauswahl. Münchner Stadtschulrätin Beatrix Zurek holte sich einen kleinen Nachschlag, Landtagsabgeordneter Michael Piazolo lobte vor allem Kochbananen und Kichererbsen. Fereschteh Erschadi-Zimmermann, Germeringer Referentin für Integration, wollte sich eigentlich noch nach dem Rezept für den Milchreis erkundigen. Hussain, der zuständige Koch, befand sich aber bereits im Gespräch; eine Restaurantbesitzerin unterhielt sich angeregt mit dem jungen Pakistani. Später verriet er stolz: „Ich bin zum Vorstellungsgespräch eingeladen geworden.“
Müde und stolz
Abends, bei der Verabschiedung – die Gäste sind längst weg, blickt man in müde Gesichter. Die Augen aber strahlen; bei Köchen und beim Wochenanzeiger Team. Der Tag war ein riesen Erfolg, die Beine sind schwer, die Mägen voll mit gutem Essen, die Köpfe mit tollen Bildern. In den Taschen der Köche liegen die Visitenkarten der Gastronomen. Dennoch, jetzt freuen sich alle auf eine Dusche und das wohlverdiente Bett. Man strebt zu den Autos, dem Bus zu. „Also, wenn ihr mich fragt, das müssen wir wiederholen,“ meldet sich da ein Wochenanzeiger Mitarbeiter noch einmal zu Wort. Kurzes Schweigen, dann breitet sich auf allen Gesichtern ein Grinsen aus – wohl keine so schlechte Idee; Titel der Veranstaltung war schließlich "Das erste Abendmahl", eine Fortsetzung im "zweiten Abendmahl" klingt für alle nur sinnvoll.
Mehr Bilder
Mehr Bilder von unserem Kochabend finden Sie unter http://galerie.wochenanzeiger-muenchen.de/v/ein-teller-heimat/.
Jobs zu vergeben?
Sie sind Gastronom und suchen engagiertes Personal? Sie möchten einen unserer Köche kennen lernen? Sie kennen jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt? Gerne können Sie uns kontaktieren. Schreiben Sie uns eine E-Mail unter isabella.bauer@muenchenweit.de oder rufen Sie uns an unter Telefon 089 54655 362; wir stellen die richtige Verbindung her.
So geht`s:
Eine Auswahl der leckeren Rezepte unserer Köche:
Frittierte Kochbananen aus Mali
Zutaten: grüne oder gelbe Kochbananen; erhältlich in Afrikashops rund um den Münchner Hauptbahnhof. Gelbe Früchte sind süßer im Geschmack, grüne erinnern geschmacklich an Kartoffeln.
Zubereitungszeit: zirka 15 Minuten.
Zubereitung: Bananen schälen und in ungefähr fünf Millimeter dicke Scheiben - leicht diagonal - schneiden.In eine Pfanne mit heißem Öl geben und von beiden Seiten braun braten; herausnehmen und flachdrücken. Die gepressten Scheiben nochmals in das heiße Öl geben und knusprig braten.
Domoda (Huhn in Erdnusssauce) aus Gambia
Zutaten für vier Portionen:
750 g Hähnchenschenkel, Öl, zwei El Tomatenmark, 50 g cremige Erdnussbutter, eine Zwiebel, eine große Knoblauchzehe, 500 ml Wasser, zwei Karotten, eine grüne Paprika, ein Würfel Gemüsebrühe, Salz und Pfeffer.
Zubereitungszeit: zirka eine Stunde.
Zubereitung: Hähnchen in Öl anbraten, Tomatenmark, Erdnussbutter, Knoblauch und gehackte Zwiebel zugeben, kurz unter Rühren dünsten, mit Wasser auffüllen und aufkochen. Die Temperatur herabsetzen und 20 Minuten köcheln lassen. Karotten und Paprika putzen und würfeln. Mit einem Brühwürfel in den Topf geben und weitere 12 Minuten köcheln lassen. Abschmecken und mit Reis servieren.
Kichererbsen mit Tomaten und Kreuzkümmel aus Pakistan
Zutaten für fünf Portionen: Zwei El Pflanzenöl, ein Tl Kreuzkümmelsamen, ein halber Tl Salz, ein halber Tl Chilipulver, zwei gehackte Tomaten, zwei abgetropfte Dosen Kichererbsen a 400 Gramm, ein El Zitronensaft, eine gehackte Zwiebel.
Zubereitungszeit: zirka 30 Minuten.
Zubereitung: In einem großen Topf Öl und Kreuzkümmel erhitzen. Salz und Chili hinzugeben und gut mischen. Tomaten unterrühren und zehn Minuten kochen, bis der Tomatensaft anzudickt, anschließend Kichererbsen untermischen. Zitronensaft und Zwiebeln hinzugeben und weitere zehn Minuten kochen.
Kheer (Milchreis) aus Pakistan
Zutaten für vier Portionen: eine Dose Kokosmilch (400 ml), 200 ml Vollmilch, drei El Zucker, 100 g Basmatireis, 50 g Rosinen, ein halber Tl gemahlener Kardamom, ein halber Tl Rosenwasser, 30 g geröstete Mandelblättchen, 30 g gehackte Pistazien.
Zubereitungszeit: zirka 35 Minuten.
Zubereitung: Kokosmilch, Milch und Zucker in einen Stieltopf geben und zum Kochen bringen, Reis zugeben und auf niedriger Stufe 20 Minuten köcheln, bis der Reis gar und die Flüssigkeit angedickt ist. Rosinen, Kardamom und Rosenwasser einrühren und einige Minuten weiter köcheln. In Servierschalen füllen und mit Mandeln und Pistazien garnieren.
Wie gelingt Integration?
Wir haben Politiker gefragt: Wie schätzen Sie die Berufschancen von Geflüchteten ein; wie gestaltet sich die Integration momentan und welche Maßnahmen wurden ergriffen?
"Die meisten Flüchtlinge sind hochmotiviert"
MdL Martin Neumeyer (Integrationsbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung): Die beruflichen Aussichten von Flüchtlingen sind abhängig von Bildung, Sprachkompetenz und Ausbildungsstand. In vielen Berufen reichen die im Ausland erworbenen Erfahrungen und Abschlüsse aber nicht aus, um die Standards, die hierzulande zur Ausübung eines bestimmten Berufs notwendig sind, zu erfüllen. Die zusätzlichen Qualifikationen lassen sich aber meist nachträglich erwerben. Insgesamt sind die meisten Flüchtlinge hoch motiviert und die Integration im Betrieb gelingt vielfach schneller als erwartet. Zudem haben sie das Glück, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Bayern gut ist und unser Fachkräftebedarf immer weiter zunimmt. Flüchtlinge werden also weniger als Konkurrenz empfunden als dass sie auf dem Arbeitsmarkt „willkommen“ sind. Voraussetzung ist freilich, dass sie sich schnellstmöglich die Sprache und die hier geltenden Umgangsformen aneignen. Unsere Aufgabe sehe ich darin, sie dabei zu unterstützen.
"Integration muss ab dem ersten Tag erfolgen"
Christine Strobl (Dritte Münchner Bürgermeisterin): Flüchtlinge sind ab ihrem ersten Tag in München ein Teil unserer Stadtgesellschaft, deshalb muss Integration auch ab dem ersten Tag erfolgen und als Aufgabe der gesamten Stadtgesellschaft gesehen werden. Dabei haben neben frühzeitiger Deutschkurse die Qualifizierung für den Arbeitsmarkt und ein frühzeitiges „Fördern“ und „Fordern“ oberste Priorität. Die Herausforderung dabei ist es, die Potentiale der Geflüchteten zu erkennen und zu stärken. Dazu haben wir im Stadtrat den Gesamtplan zur Integration beschlossen, der unter anderem genau diese Herausforderung aufgreift und entsprechende Mittel zur Verfügung stellt, zum Beispiel rund 16 Mio. Euro bis 2019 für zusätzliche Deutschkurse.
"Zugang zu Spracherwerb, Bildung, Ausbildung und Arbeit"
Dorothee Schiwy (Sozialreferentin München): Der Weg, der in ein Beschäftigungsverhältnis führt, kann unterschiedlich lang sein und hängt zunächst natürlich von den jeweiligen beruflichen Kompetenzen, Qualifikationen und auch von den Sprachkenntnissen der Menschen ab. Die Integration in den Arbeitsmarkt hängt aber auch entscheidend davon ab, ob es uns gelingt, den Menschen einen schnellen und zielgerichteten Zugang zu Spracherwerb, Bildung, Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen.Im Bereich des Jobcenters haben wir eine eigene "Zentraleinheit Flüchtlinge" unter dem Dach der Wohnungslosenhilfe in der Franziskanerstraße geschaffen. Die Kolleginnen und Kollegen bearbeiten ausschließlich Arbeitslosengeld II-Anträge von Flüchtlingen. Ein weiteres Team kümmert sich um die Arbeitsvermittlung und um die Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse. Wir betreuen derzeit rund 7.164 Menschen aus den acht zugangsstärksten Kriegs- und Krisenländern im Jobcenter. In diesem Jahr sind schon knapp 1.000 Menschen aus diesen Ländern in die Grundsicherung übergegangen. Knapp 10 Prozent konnten wir bereits in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermitteln.
"Viele Betriebe profitieren enorm"
Ute Zima (Unternehmerverband Gräfelfing): Integration ist nie eine Einbahnstraße, wir erleben viele Betriebe, die enorm profitieren von dem Input den neue Mitarbeitern mitbringen. Ein ganz banales Beispiel: Ein Auszubildender aus dem Irak hat in einem Kraillinger Frisörsalon das Augenbrauenzupfen per Bindfaden eingeführt.
"Geflüchtete bieten eine hohe Leistungsbereitschaft"
Angela Inselkammer (Vizepräsidentin Bayerischer Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern): In unseren Hotel- und Gastronomiebetrieben läuft die Integration schon richtig gut an. Denn unsere Betriebe sind international aufgestellt und ermöglichen den Geflüchteten eine solide Ausbildung und damit die Basis für 111 Berufe, die sie weltweit ausüben können. Die Geflüchteten bieten dafür eine hohe Leistungsbereitschaft, top Motivation und den spürbaren Willen, sich in Bayern eine Zukunft aufzubauen. Zudem sind viele Geflüchteten handwerklich äußert begabt und geschickt. Schwierigkeiten bereiten verständlicherweise eher die Fachsprache in der Berufsschule und die deutsche Schrift. Doch wir sind zuversichtlich, dass wir auch diese Hürden durch Fördermaßnahmen zusammen mit Kammern und Arbeitsagenturen meistern können.
"Viel Potential für den Arbeitsmarkt"
Beatrix Zurek (Münchner Stadtschulrätin): Sprache und Bildung sind zentrale Schlüssel zur Integration, daran kann es keinen Zweifel geben. Deshalb finanziert die Stadt auch Deutschkurse und hilft bei der Qualifizierung. Die Kleinsten lernen die deutsche Sprache spielerisch in unseren Münchner Kindertageseinrichtungen, die traditionell ein sehr gutes System der Sprachförderung pflegen. Jugendliche werden in unserer städtischen Berufsschule zur Berufsvorbereitung auf den Einstieg in den Arbeitsmarkt vorbereitet. In den Flüchtlingen steckt viel Potential für den deutschen Arbeitsmarkt. Insbesondere das Handwerk sucht in München dringend Azubis. Um in der Arbeitswelt Fuß zu fassen und Erfolg zu haben, ist die Beherrschung der deutschen Sprache aber eine zwingende Voraussetzung. Bei Jugendlichen stellen wir zum Beispiel fest, dass Ausbildungen abgebrochen werden, weil die jungen Menschen mangels Sprachkenntnissen zu große Probleme im theoretischen Ausbildungsteil haben. Wenn die Verständigung klappt, dann bin ich überzeugt, dass noch viel mehr Betriebe gerne Flüchtlinge als Auszubildende aufnehmen werden.
"Sicherer Aufenthalt für drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Arbeit"
MdL Margarete Bause: Im März besuchte ich Kemoh Mansaray an seinem Ausbildungsplatz bei den SWM. Er ist von Sierra Leone nach Deutschland geflohen und hier nur geduldet. Alle drei Monate befürchtete er seine Abschiebung. Sein Fall macht deutlich, wie wichtig unsere Forderung nach einem sicheren Aufenthalt für die drei Jahre der Ausbildung + zwei Jahre Arbeit danach (3+2) war. Es gibt Sicherheit – den Flüchtlingen und den Betrieben. Durch unseren Druck wird diese Forderung nun endlich umgesetzt. Wäre Kemoh im Senegal, einem sicheren Herkunftsland, geboren, stünden seine Chancen auf eine Arbeitserlaubnis schlecht. Das Innenministerium verweigert Menschen aus scheinbar „sicheren Herkunftsländern“ die Möglichkeit zu arbeiten. Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit. Nötig ist ein Ende dieses Zwei-Klassen-Systems!
"Das Erlernte ist auch eine Chance für die Heimatländer"
MdL Michael Piazolo: Die Berufschancen von Geflüchteten hängen eng mit dem im Herkunftsland erworbenen Niveau der Schul-, Berufs- und Hochschulausbildung zusammen. Darüber hinaus spielt auch die allgemeine Sprachkompetenz und die Lernbereitschaft der Geflüchteten eine große Rolle, auch für einstellende Betriebe. Das Bildungsniveau ist somit neben der Sprache der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration auf dem Arbeitsmarkt. Alle Herkunftsländer liegen im internationalen Bildungsvergleich teils deutlich hinter Deutschland. Die Integrations- und Bildungschancen, die wir den Flüchtlingen bieten, sind daher neben der Frage der Arbeitserlaubnis entscheidend für den Arbeitsmarktzugang, die Integration in unsere Gesellschaft und für unsere Unternehmen. Hier sind wir in der Pflicht. Jede Investition in die Bildung – auch in die Weiterbildung von Erwachsenen – bedeutet unter dem Strich, dass wir für uns und für die Geflüchteten bessere Voraussetzungen in allen Bereichen schaffen. Für die Geflüchteten bedeutet es zudem, dass das bei uns Erlernte auch eine Chance für ihre Heimat bietet.
"Es gibt sehr gute Aussichten auf Ausbildungsplätze"
Hubert Schöffmann (bildungspolitischer Sprecher der bayerischen IHKs und stellvertretender Leiter des Bereichs Berufsbildung der IHK für München und Oberbayern): Die Berufschancen sind je nach Vorqualifikationen und persönlichen Umständen der Flüchtlinge recht unterschiedlich. Die wenigsten weisen ausreichende Sprachkenntnisse und passgenaue Ausbildungsabschlüsse auf, um direkt in einen Job einzusteigen. Andererseits ist der Fachkräftebedarf in Bayern groß. Jugendliche Flüchtlinge haben sehr gute Aussichten auf Ausbildungsplätze, wenn sie die zweijährigen berufsvorbereitenden Klassen an den Berufsschulen erfolgreich und mit guten Deutsch-Kenntnissen abschließen. An den oberbayerischen Berufsschulen besuchen derzeit rund 9.000 jugendliche Asylsuchende berufsvorbereitende Berufsschulklassen. Viele Betriebe, gerade kleine und mittelständische, nehmen die Aufgabe der Integration sehr ernst, und wollen Flüchtlinge einstellen. Viele haben dies auch schon getan. Aber die Rechtsunsicherheit und bürokratische Hürden stehen noch zu oft im Weg. Dazu kommt die Sprachbarriere. Oft ist eine sehr intensive Betreuung der Flüchtlinge notwendig, die sich in einer neuen Welt zurechtfinden müssen. Hier bietet die IHK München Unterstützung an. In Oberbayern gibt es vier Integrationsberater, die Betrieben zur Seite stehen, die Flüchtlinge eingestellt haben oder einstellen wollen. Wir brauchen mehr berufsbezogene Deutschkurse und mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen.
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