"Für die Kids ist das jedes Jahr ein Highlight"
Weißblauer Bumerang auf traditionellem Wiesnbesuch
Wummernde Musik, blinkende Lichter. Der Duft von gebrannten Mandeln, Zuckerwatte und Schokofrüchten hängt in der Luft. Verzerrte Stimmen und drollige Geräusche locken zu den diversen Angeboten der Schausteller. Wohin man auch sieht, hört oder riecht: Das Oktoberfest ist ein riesiger Mix aus Sinneseindrücken und Vergnügungsmöglichkeiten.
Doch während sich viele Münchner und Touristen sorglos ins Getümmel werfen, meiden andere die Theresienwiese, denn sie sehen das größte Volksfest der Welt aus einer anderen Perspektive: Eine Fahrt mit dem "Cyber Space" kostet regulär 7 Euro, mit dem "Power Tower" 6 Euro, das Kettenkarussell beflügelt für 3 Euro und Fahrspaß mit dem Auto-Scooter gibt es für 2,50 Euro. Teure Minuten des Lebens, die sich nicht jeder leisten kann.
Direkt und unbürokratisch
"Wer will Geisterbahn fahren?", fragt Erwin Ritthaler. Augenblicklich schießen die Hände der 6- bis 16-Jährigen in die Höhe, die Aufregung steht den Kindern und Jugendlichen aus der Gruppe Freudentanz und der Obdachlosenunterkunft in der Kollwitzstraße, die dieses Jahr zum ersten Mal mit dabei sind, ins Gesicht geschrieben. Viele schließen sofort Freundschaften, laufen Hand in Hand durch die Menge. Die jungen Menschen stammen aus den unterschiedlichsten Ländern, darunter aus Togo, Syrien, Serbien, Jordanien, Polen und nicht zuletzt aus Deutschland. Sie wachsen in wenig begüterten Familien auf und ein Wiesnbesuch wäre für sie ohne Luise und Erwin Ritthaler nicht denkbar. "Das ist für mich Integration", sagt Erwin Ritthaler stolz. Sein Blick schweift über die Gruppe und er vollführt eine ausladende Handbewegung. "Deutsche Kinder zusammen mit Flüchtlingskindern!"
Das Ehepaar ist das Herz des Weißblauen Bumerangs (WBB), den es vor über elf Jahren mit Gleichgesinnten gegründet hat. Der WBB ist kein Verein, sondern ein Club aus ehrenamtlichen Helfern mit dem Ziel, sozial benachteiligten Kindern zu helfen, ihnen durch Feste, Ausflüge und Ferienfahrten kleine Freuden zu bereiten und ihre Chancengleichheit zu erhöhen. "Direkt und unbürokratisch" lautet dabei die Prämisse, sodass auf ein Spendenkonto verzichtet wird und Geldspenden bei den Jahresfeiern direkt und in voller Höhe an jene Kinder- und Jugendeinrichtungen verteilt werden, die der WBB unterstützt.
Dem München-Schirm folgen
Über 30 Kinder drängen sich vor der Kasse der Geisterbahn um Erwin Ritthaler, überall sind Hände. Das Gewusel und Stimmengewirr ist groß. "Anstellen. Der Reihe nach!", weist er die Kids zurecht und verteilt die Marken, für die er nicht bezahlen musste. Das Netzwerk des freiwilligen Helferkreises ist weitläufig und reicht bis aufs Oktoberfest, dessen Besuch geliebte Tradition ist. "Heuer ist es das elfte Mal, dass wir mit den Kindern auf die Wiesn gehen", sagt Luise Ritthaler. Sie weiß: "Für die Kids ist das jedes Jahr ein Highlight."
Diesmal sei die Gruppe nicht so groß, viele seien noch in der Schule, erklärt sie. Die aufgeregte Schar ist dennoch für zwei Erwachsene kaum überschaubar, sodass einige Eltern und Freunde des Ehepaars als Aufsichtspersonen mitschlendern. Damit niemand in der Menge verloren geht, wird ein Regenschirm mit Münchenmotiven hochgehalten – diesem gilt es zu folgen, was erstaunlich gut klappt.
Zum alljährlichen Wiesnbummel gehören Feldl's Teufelsrad, die Zugspitzbahn der Familie Menzel, das Testen der Sinne im Omni, Gruselspaß in Eckls Geisterbahn und eine Runde Auto-Scooter. Natürlich mangelt es auch nicht an Süßem, denn Familie Geier versorgt jedes Jahr die Kids mit gebrannten Mandeln, Popkorn und Zuckerwatte. Als Souvenir gibt es zum Schluss noch ein schönes Wiesnherzl, gesponsert von der Firma Fesey. Den wundervollen Wiesnausflug dokumentierte auch München TV in einem Beitrag.
Kein Bezirzen
Dass Erwin Ritthaler die Schaustellerfamilien und Wiesnunternehmer als Unterstützer und/oder Sponsoren des Weißblauen Bumerangs gewinnen konnte, erstaunt niemanden, der ihn kennt. "Mein Mann ist sehr direkt und spricht die Leute einfach an", sagt seine Frau Luise. "Ich könnte das nie so gut wie er. Letztendlich ist es aber einfach so: Wer helfen möchte, der hilft. Und zwar ohne lange bezirzt werden zu müssen."
Erwin Ritthaler selbst bezeichnet das Zustandekommen seiner Wiesnkooperationen schmunzelnd als "betteln". Ein Mann vieler Worte ist er nicht, auch rückt er sich selbst nicht in den Vordergrund. Beim WBB geht es niemandem darum, sich zu profilieren oder krampfhaft helfen zu müssen – jeder bringt sich und seine Ideen soweit ein, wie er oder sie es für richtig hält. Der gute Wille steht dabei im Vordergrund, wie Ritthaler betont: "Wichtig bei uns ist, dass jeder gleich wichtig ist. Der, der Zeit investiert, ist genauso wichtig wie der Ansprechpartner." Einzig was zählt, ist Kindern aus sozial schwachen Familien einen Moment der Freude zu schenken und diesem Zustand des Glücks Nachhaltigkeit zu verleihen.
So endet zwar auch der spannende Wiesnbummel, aber die Erinnerung daran zaubert den Kids hoffentlich auch Jahre später ein Lächeln ins Gesicht. Für die Mitwirkenden beim Weißblauen Bumerang zählt dieser Augenblick der Freude der Kinder mehr, als die öffentliche Anerkennung ihres Engagements es je könnte.
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