Was verträgt die Gartenstadt?
Bürgerversammlung Gräfelfing diskutiert geplanten Sozialwohnungsbau
„Wir müssen rechtzeitig Wohnungen für diejenigen bauen, die sich keine hohe Mieten leisten können“, erklärte Bürgermeister Christoph Göbel, als er bei der Bürgerversammlung über die geplante Wohnungsbebauung an der Rottenbucher Straße sprach. Im vorgestellten Bebauungsplan 27 sind nach Beschluss des Gemeinderats 28 sozialverträgliche Wohnungen in zwei Gebäuden vorgesehen. Außerdem sollen die Gebäude später eine Kindereinrichtung und Geschäfte beherbergen.
Mit dem Bauprojekt wolle Gräfelfing ein soziales Hilfenetz für die finanziell schlechter gestellten Mitbürger schaffen. „Alle Gräfelfinger sollen im Ort wohnen bleiben und sich wohlfühlen können. Dafür tun wir viel“, meinte er. Damit verwies er auch auf den wöchentlichen Würmtaltisch für Bedürftige und die Bürgerstiftung.
Sozialwohnungsbau-Gegner: „Ghettoisierung“
Konkrete Baupläne gebe es noch nicht, so Göbel. Trotzdem liefen einige Anwohner Sturm gegen das Projekt zwischen der Wessobrunner- und der Flurstraße und wiesen eine Unterschriftenliste vor. Sie warnten vor einer „Konzentration von Sozialbauten im Bereich Rottenbucher Straße“. „Das ist unsozialer Wohnungsbau“, schimpfte eine Anwohnerin, „und dient nicht der Integration.“ Sie warf der Gemeinde „mangelnde soziale Sensibilität“ vor.
Noch schärfer kritisierte eine weitere Anwohnerin das Projekt: „Das ist Ghettoisierung mitten in Gräfelfing. Solch ein Baukörper passt besser an die Landsberger Straße in München als an die Rottenbucher Straße in Gräfelfing“. Eine Alternative für den Sozialwohnungsbau sähe sie höchstens im Gewerbegebiet.
Gräfelfing soll soziales Hilfenetz aufspannen
Dabei gab es in der Bürgerversammlung auch positive Stimmen für das Bauprojekt. Zum Beispiel machte sich CSU-Vorsitzende Petra Schmid für den Bau mitten in der Gemeinde stark. „Bitte prüfen Sie, ob Gräfelfing auch Asylbewerber in den neuen Sozialwohnungsbau aufnehmen kann“, so Schmid.
Auch die Gräfelfinger Grünen stellten sich mit einer Erklärung hinter das Projekt. „Wir begrüßen die neuen Sozialwohnungen in der Rottenbucher Straße und sind schockiert über deren Ablehnung durch einzelne Nachbarn“, so Joachim Bender, Vorsitzender der Grünen und ebenfalls Anwohner. „Wir Grüne befürworten jedenfalls ganz entschieden dieses Bauvorhaben und hoffen sehr, dass die genannten Gegenargumente keinen weiteren Widerhall in Gräfelfing finden.“
Göbel erklärte die sozialen Verpflichtungen der Gemeinde und betonte: „Ich halte es für wichtig, dass wir darauf achten, dass völlig verschiedene Menschen mit völlig verschiedenem Hintergrund und unterschiedlicher Einkommensstruktur zusammenwohnen.“ Im Moment befinde sich der Gemeinderat im Abwägungsprozess „und wir befassen uns mit allen Argumenten, die Sie vorbringen.“
Kritik an Erneuerung der Rottenbucher Straße
Auf der Bürgerversammlung musste Göbel auch Kritik an der generalsanierten Rottenbucher Straße hinnehmen. Fehlende Ampel, überladene Parkbuchten, Dauerparker, zu wenig Grün – dies waren die Punkte, die die Bürger vorbrachten. „Ich wünschte mir, dass die Kreuzung Schul-, Adalbert-Stifter- und Rottenbucher Straße als Platz wahrgenommen wird und einen Namen erhält“, meinte Schmid.
Auch die massive Verdichtung der Wohngebiete und der uneinheitliche Baustil bei Neubebauungen wurden scharf kritisiert. „Wohin geht der Charakter unserer Gartenstadt, wenn überall diese seelenlosen und brutal hässlichen Klötze hinkommen“, meinte eine Bürgerin unter großem Beifall der Anwesenden.
„Unser Baurecht wurde in den 60er und 70er Jahren festgeschrieben“, antwortete Göbel. „Damals war die Vielfalt gewollt. Klare Gestaltungsvorschriften gibt es ganz bewusst nicht in Gräfelfing.“ Zwar werde des Öfteren darüber diskutiert, ob sich ein Baustil für die Gemeinde vorschreiben lasse. „Doch der Schutz der Vielfalt der Architektur überwiegt. Das macht unser Gartenstadt aus.“
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