„Wir sind eine gute Gemeinschaft“
„Wir sprechen uns“: Trotz mancher Herausforderungen lässt es sich im Viertel gut leben
„Wir sprechen uns“ – so lautet der Titel der neuen Gesprächsrunde, mit der die Münchner Wochenanzeiger Menschen aus dem Viertel zusammenbringen, um in nachbarschaftlicher Runde Herausforderungen des Stadtteils zu besprechen und um zu zeigen, wie tragfähig das Miteinander vor Ort und wie lebenswert das Viertel ist – trotz der einen oder anderen Problemen und Herausforderungen.
„Allach-Untermenzing hat sich eigentlich immer noch den Charakter eines Dorfes in der Großstadt erhalten“, betont Josef Feig, Inhaber der Zimmerei Feig. „Man sieht den guten Zusammenhalt aber auch an der Jugendarbeit in den Vereinen.“ Das bestätigt auch Fritz Schneller, der genau wie Josef Feig Mitglied des örtlichen Bezirksausschusses ist: „Unsere Vereine leisten großartige Arbeit. Nicht nur deshalb ist es in Allach-Untermenzing lebens- und liebenswert. Wir haben ein wunderschönes Stadtviertel mit einem städtischen, aber auch noch einem dörflichen Charakter.“ Im 23. Stadtbezirk habe man zudem das Glück, dass durch das Viertel der zweitgrößte Fluss der Landeshauptstadt München fließe. „Ich hoffe, dass der Würmgrünzug noch weiter ausgebaut wird. Wir bekommen jetzt zum Beispiel auf dem Gelände des ehemaligen Allacher Sommerbades eine weitere Renaturierung. Das wird sehr schön werden.“
„Wir wohnen noch sehr im Grünen“
Dass es sich in Allach-Untermenzing gut leben lässt, betont auch Dietlinde Schermer. „Wir wohnen noch sehr im Grünen“, sagt die Leiterin des Schulwegdienstes an der Grundschule in der Eversbuschstraße. „Wenn wir ein hohes Gut in unserem Viertel haben, dann ist es die Luft und das Grüne. Aber mit der baulichen Nachverdichtung und dem Verkehr machen wir uns genau das kaputt. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt.“ Die Verkehrsprobleme, die die starke bauliche Nachverdichtung mit sich bringt, sind durchaus eine Herausforderung für den 23. Stadtbezirk. „Im Diamaltgelände bekommen wir 732, am Oertelplatz 127, in der Gerberau 300 und demnächst in der Hirmerei 260 Wohneinheiten“, erklärt Fritz Schneller. „In relativ kurzer Zeit kommen also rund 3.000 neue Einwohner dazu. Da sehe ich erhebliche Probleme. Ich hoffe, dass wir das alles einigermaßen schultern werden.“
„Fass ohne Boden“
Gerade der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) müsse weiter ausgebaut werden, fordert Dietline Schermer in diesem Zusammenhang. „Es braucht einen bessere Taktverdichtung und auch eine besseren Anschluss beispielsweise nach Moosach oder Pasing. Wir müssen hier an Lösungen arbeiten. Ansonsten ist es ein Fass ohne Boden“, erklärt die Schulweghelferin weiter. „Mit dem Zuzug wird der Verkehr noch weiter zunehmen.“ Zwar gehe es in den meisten Straßen des Stadtviertels ruhig zu, „aber erst wenn der Berufsverkehr morgens und am Nachmittag vorbei ist.“ Und auch den Lkw-Verkehr dürfe man nicht vergessen. „Als Schulweghelferin weiß ich wovon ich spreche. In unserem Viertel fahren extrem viele Lkw. Das ist eine starke Belastung – sowohl von der Luft her, aber auch weil es störend und gefährlich ist.“
Dass der Lkw-Verkehr weniger werden muss im 23. Stadtbezirk, darin sind sich alle einig. „Grundsätzlich müssen wir schauen, dass wir den Lkw-Verkehr irgendwie aus dem Viertel rausbekommen“, sagt auch Fritz Schneller. Seiner Ansicht nach müsste hierzu auf lange Sicht beispielsweise das Kirschgelände in ein reines Wohngelände umgewandelt werden. Josef Feig dagegen betont: „Wir müssen aber auch sehen, dass heute viel weniger Lkw auf der Eversbuschstraße fahren als früher. Seit die Ludwigsfelder Straße als Zufahrt für Krauss-Maffei aufgemacht wurde, ist es deutlich besser geworden.“
„Das Stadtviertel ist nicht anonym“
Erwin Rumpel, der im Herbst vergangenen Jahres ein Ladengeschäft in der Eversbuschstraße 14 eröffnet hat, und nicht in Allach-Untermenzing wohnt, ist voll des Lobes für den 23. Stadtbezirk. „Ich finde das Stadtviertel sehr angenehm“, erzählt der Inhaber von Rahnis Thaimassage. „Als gebürtiger Münchner liebe ich meine Stadt und da gehört auch Allach-Untermenzing dazu. In der kurzen Zeit, in der wir jetzt unser Geschäft hier betreiben, habe ich das Viertel als sehr gut empfunden. Ich nehme auch wahr, dass unsere Kunden voll des Lobes über ihren Stadtteil sind.“
Gerade der lokale Handel ist ein wichtiges Element im Quartier. „Natürlich ist es als Einzelhändler nicht immer einfach“, sagt Eva Höcherl. „Allerdings kauft das Publikum mittlerweile wieder viel zielorientierter und mehr im Stadtviertel ein. Die Bevölkerung ist durchaus ortsgebunden“, so die Inhaberin der Optik Kaiser in der Eversbuschstraße 133. „In Allach-Untermenzing ist es nicht anonym. Das finde ich sehr charmant und angenehm. Und das möchte ich auch nicht missen.“
"So etwas gibt es nur bei uns"
Josef Feig warnt allerdings davor, dass viele Gewerbetreibende ins Umland abwandern. „Damit verlieren wir in der Stadt Gewerbesteuer. Die Firmen siedeln sich außerhalb von München an, gefahren wird aber durch die Stadt. München muss die Infrastruktur zur Verfügung stellen, hat aber keine Einnahmen mehr.“ Dies sei durchaus problematisch – auch und gerade aus Sicht der Vereine. „Wenn der lokale Handel weg ist, gibt es kein Sponsoring oder Bandenwerbung mehr“, erklärt der Vorsitzende der Interessengemeinschaft der Allacher-Untermenzinger Vereine weiter. Dennoch sagt er: „In Allach-Untermenzing sind 90 Prozent der Bürger zufrieden. Ich würde sage, so etwas gibt es nur bei uns.“
Herausforderungen annehmen
Vor allem in der Vereinsarbeit sei das Stadtviertel stark. „Unsere Außendarstellung ist alles andere als schwach“, erklärt Josef Feig. „Da sind wir sehr selbstbewusst.“ Sabine Dohrmann, die Vorsitzende des Elternbeirats an der Grundschule in der Eversbuschstraße, spricht in diesem Zusammenhang von einem inneren Selbstbewusstsein. „Ich glaube nicht, dass wir es nötig haben, mit unserem Stadtteil zu protzen. Wir sind eine gute Gemeinschaft und zeigen mit Leistung, was wir können.“ Wie gut das Miteinander im Stadtviertel ist, sehe man auch im Umgang mit den Flüchtlingen. „Wir haben im Moment eine erhöhte Einschulung wegen der Flüchtlingskinder. Das läuft aber eigentlich relativ problemlos“, erzählt sie. „Die Eltern bemühen sich sehr. Wir nehmen die Herausforderungen an der Schule gemeinsam an.“ In Allach-Untermenzing gehe es weitaus weniger anonym zu als in manch anderen Vierteln in der Innenstadt. An der Schule lege man auch ein großes Augenmerk auf das Thema Werte. „Das versuchen wir auch im täglichen Leben zu pflegen. Wir sind offen und versuchen Werte wie Freundlichkeit und das Miteinander zu leben.“
Gute Nachbarschaft
Walter Demmel, Stadtteilhistoriker von Allach-Untermenzing, erklärt, dass es sich im Viertel nach wie vor in großer Ruhe und in guter Nachbarschaft leben lasse. „Ich rede viel auch mit alten Leuten, die sagen, dass sich alles so schnell verändert. Es wird schnell gejammert – egal ob es um den Verkehr oder um den Zuzug geht. Man darf nicht immer nur das Schlechte sehen. Vielmehr muss man die Leute auf die schönen Dinge aufmerksam machen. Man muss mit den Veränderungen leben – das hat auch Positives.“
Als Historiker möchte er den Menschen im Stadtteil ihre Vergangenheit bewusst machen. „Das was wir haben und was wir erhalten haben, darauf möchte ich aufmerksam machen. Das macht unter anderem auch den Stolz eines Stadtteils aus“, betont der Stadtteilhistoriker. „Die Angerlohsiedlung war zum Beispiel früher auch eine Flüchtlingssiedlung. Und wenn man heute sieht, was daraus geworden ist, ist das doch gut. Genau das möchte ich den Leuten bewusst machen. Ich sehe auch in der jetzigen Flüchtlingssituation einen Gewinn. Das ist mein Geschichtsverständnis.“
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